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Himmelssturz

Himmelssturz

Titel: Himmelssturz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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über die offenen Kanäle des Schiffsnetzes zu nehmen.
    »Ich weiß immer noch nicht, wo ich anfangen soll«, sagte er.
    »Ich will euch etwas zeigen«, sagte Bella. Sie drehte sich zum ein Jahr alten Bild von Janus um. Ihre Hände bewegten sich über die Kontrollen in ihrem Schreibtisch. Die Hexel flackerten, dann wechselte schlagartig das Bild an der Wand. Es zeigte immer noch Janus, aber nun war die Darstellung verschwommen, wie das Foto eines Steins, den man durch eine verschmierte Glasscheibe aufgenommen hatte.
    »Das ist ein synthetisches Bild«, erklärte Bella, »durch optische Interferometrie mit langer Basis im sichtbaren Spektrum gewonnen und zusammengesetzt aus Daten von sechs verschiedenen Weltraumteleskopen im Orbit um den Mars. Es ist die jüngste Fernaufnahme von Janus, die wir haben. Sie wurde vor weniger als einem Tag gemacht.«
    Das Bild zeigte den Mond aus einem anderen Winkel als das im Vorbeiflug geschossene Bild. Deshalb sahen die Form und die Verteilung der Krater anders aus. Aber es hatte sich noch mehr verändert. Im Eis waren dunkle Flecken zu erkennen, die vorher nicht da gewesen waren. Beim zweiten Blick zeigte sich, dass die Flecken in Wirklichkeit Wunden waren – leere Stellen, wo sich riesige, kilometerdicke Eisbrocken losgerissen hatten oder verdampft waren oder einfach zu existieren aufgehört hatten. In den dunklen Bereichen funkelten am Rand der Wahrnehmungsschwelle mechanische Strukturen, gigantische dunkle Maschinenteile, verbogen und ineinander verschlungen wie dicht gepackte Gedärme.
    »Das Foto des Jahrhunderts«, sagte Parry.
    »Die Tarnung bricht nach und nach weg«, sagte Bella. »Janus zeigt allmählich seine wahre Gestalt. Wir haben bereits eine Tatsache, mit der wir arbeiten können: Es handelt sich zweifellos um ein außerirdisches Artefakt und nicht um einen bizarren physikalischen Prozess, den wir einfach nur nicht verstehen.«
    »Das ist nicht viel«, sagte Parry.
    »Das ist noch nicht alles. Ich erwähnte bereits, dass Janus unser System in einem flachen Winkel zur Ekliptik verlässt. Jetzt haben wir etwas genauere Daten, was den Kurs betrifft.« Bella ließ das Bild schrumpfen, bis es nur noch ein mattweißer Punkt vor einer Himmelskarte mit Sternennamen, Grenzen zwischen den Sternbildern und dünnen Linien für die Rektaszension und Deklination war, den astronomischen Gegenstücken zur Breite und Länge. »Meine Damen und Herren, wir haben einen Stern, und wir haben einen Namen.«
    »Welcher ist es?«, fragte Parry.
    »Alpha Virginis, der hellste Stern in der Jungfrau.« Bella markierte ihn. Es war der Stern, der dem winzigen Punkt von Janus am nächsten stand. »Ich muss allerdings zugeben, dass es nicht unbedingt eine Sonne ist, in deren Nähe wir Aliens erwarten würden. Sie ist nicht nur heiß, schwer und blau, sondern außerdem Teil eines binären Systems. Vielleicht haben sie sich dort nicht ursprünglich entwickelt. Aber wir können die Fakten nicht abstreiten. Dorthin ist Janus unterwegs. Das ist der Ort, an dem er seine Heimat sucht.«
    »Wie sollen wir die Erbauer von Janus nennen?«, fragte Svetlana. »Virgoer? Virginianer? Alphaner?«
    »Nichts dergleichen«, erwiderte Bella. »Wir bezeichnen sie nach dem klassischen Namen des Zielsterns. Alpha Virginis wird auch Spica genannt.« Sie sprach die zwei Silben sehr sorgsam aus. »Die Erbauer von Janus sind die Spicaner, und sie leben zweihundertsechzig Lichtjahre von der Erde entfernt.« Sie sah die kleine Runde strahlend an. »So. Habt ihr nicht auch das Gefühl, sie jetzt schon etwas besser zu kennen?«
    »Es ist wohl etwas zu spät, sich die Sache mit dieser Mission noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen, oder?«
    Alle lachten. Aber nicht so herzhaft, wie Bella es sich gewünscht hätte.
     
    CNN wollte ein Interview. Bella nahm eine Kamera mit ins aeroponische Labor und befestigte sie mit einem Klecks Geckoflex an einem Gestell voller Pflanzen. Die Aeroponik mit der feuchten Luft, dem mechanischen Windhauch und dem beruhigend gleichmäßigen Schnaufen der Aeratoren hatte jedes Mal eine sehr entspannende Wirkung auf sie. Es war der einzige Ort an Bord der Rockhopper, wo sie die Augen schließen und sich die flüchtige Illusion verschaffen konnte, auf der Erde zu sein.
    »Es ist bestimmt eine große Belastung, diese Mission zu leiten«, sagte die Nachrichtensprecherpuppe mit kecker Stimme, die eher zu einer Zeichentrickfigur gepasst hätte.
    »Es ist auf jeden Fall eine große Verantwortung«,

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