Himmelssturz
Schiffsnetz auf der höchsten, angeblich undurchdringlichen Sicherheitsstufe anzuzapfen. Das Netz funktionierte ansonsten völlig normal, aber plötzlich gab es zusätzliche Kanäle und Datenpakete neben den vorhandenen.
Wenn man diese Daten in zeitlicher Ordnung als Video abspielte, war ihr Inhalt entwaffnend einfach. Zu sehen war eine CNN-Sprecherpuppe, die Simulation einer attraktiven Frau in den Vierzigern mit gestyltem rotblondem Haar, in einer steifen braunen Bluse mit einer Sternenbrosche, vor einem Hintergrund aus Bildschirmen, Uhren und Weltkarten, wie in einem betriebsamen Nachrichtenstudio irgendwann zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts.
Sie sprach mit der gemessenen Betonung eines Shakespeare-Schauspielers. »Hallo und willkommen. Gestatten Sie mir, mich vorzustellen. Es ist mir eine Ehre, als Sprecherin für die Entitäten zu aufzutreten, die Ihnen bereits als Moschushunde bekannt sind.« Sie lächelte, zeigte perfekte Zähne und ordnete ihre Blätter auf dem Schreibtisch. »Bitte zögern Sie nicht, weiterhin diesen Namen zu benutzen – wir bitten Sie sogar darum. Angesichts unserer kulturellen Unterschiede ist es die angemessenste Übersetzung, mit der wir uns einverstanden erklären können. Das heißt, dass sie im Grund nicht sehr akkurat, aber den Alternativen eindeutig vorzuziehen ist.«
Bella sagte sich, dass sie den Clip stoppen sollte, als sie sich an McKinleys Warnung erinnerte, dass es keinen sicheren Umgang mit den Moschushunden gab. Aber was würde sie gewinnen, wenn sie sich die Sendung nicht ansah? Sie wurde sowieso verbreitet und konnte von jedem auf Janus empfangen werden. Sie würde sich der Pflichtvernachlässigung schuldig machen, wenn sie ihren Inhalt ignorierte.
»Ich spreche aus dem Innern des Schiffes zu Ihnen – des Knorpelschiffes, wie Sie es nennen«, fuhr die Sprecherpuppe fort. »Das ist ein guter Name, der jenem, den wir bevorzugen, angenehm nahe ist. Auch in diesem Fall möchten wir Sie bitten, ihn weiter zu verwenden. Wie Sie feststellen werden – und wir hoffen inständig, dass Sie es feststellen werden –, ist es sehr, sehr schwer, uns zu beleidigen. Während unserer Zeit in der Struktur haben wir umfangreiche Erfahrungen mit Kontaktsituationen gesammelt. Dabei ist es zu wechselseitig positiven Interaktionen mit zahlreichen Zivilisationen gekommen. In dieser Zeit haben wir gelernt, dass ein dickes Fell von großem Vorteil ist.« Sie berührte einen unsichtbaren Ohrhörer, als würde sie Anweisungen von der Regie erhalten. »Womit ich zum eigentlichen Thema komme. Es wäre uns eine große Freude, wenn wir mit den Bewohnern von Janus in einen Dialog treten könnten. Uns ist bekannt, dass Sie bereits einen wechselseitigen Austausch mit den Entitäten begonnen haben, die Sie als Perückenköpfe bezeichnen, und wir sind überzeugt, dass Sie tatsächlich gewisse Vorteile aus dieser Beziehung gezogen haben. Die Perückenköpfe haben Ihnen einen Teil ihres Wissen überlassen, wodurch Sie Ihren Lebensstandard und Ihre Sicherheit in bescheidenem Rahmen verbessern konnten. Doch nun müssen wir Ihnen Tatsachen offenbaren, die Sie möglicherweise als irritierend empfinden. Zu unserem großen Bedauern müssen wir Ihnen mitteilen, dass die Perückenköpfe nicht das sind, was sie zu sein behaupten.«
Die Puppe blickte eindringlich in die Kamera, und ihr Ausdruck wurde sehr ernst, wie es alle Nachrichtensprecher taten, wenn sie schlechte Neuigkeiten zu berichten hatten, zum Beispiel einen Flugzeugabsturz, ein politisches Attentat oder den Tod eines Schauspielers oder Popstars.
»Die Geschichte ihrer Beziehungen zu anderen Zivilisation weist die bedauerliche Tendenz auf, parasitäre Züge anzunehmen. Sie beuten Spezies wie Ihre aus, indem sie spärliche Informationen im Austausch gegen Dinge anbieten, deren wahren Wert Sie kaum ermessen können. Jedes Mal, wenn ihre wahren Motive aufgedeckt werden, müssen sie sich entfernen und innerhalb der Struktur neue Opfer suchen. Den Menschen ist lediglich das Pech widerfahren, die jüngste Zivilisation zu sein, die unter den verderblichen Einfluss der Perückenköpfe geraten ist.« Die Sprecherpuppe brachte einen überzeugenden mitfühlenden Ausdruck zustande. »Uns ist bewusst, dass diese Wahrheit für Sie nur schwer zu akzeptieren ist, nachdem Sie über viele Jahre hinweg einen scheinbar nützlichen Handel mit ihnen getrieben haben. Dennoch müssen wir Ihnen mit aufrichtigem Bedauern mitteilen, dass es die Wahrheit ist. Zweifellos
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