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Himmelssturz

Himmelssturz

Titel: Himmelssturz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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hätten, wenn es uns früher aufgefallen wäre, ist eine ganz andere Frage.«
    Das dargestellte Bild war erst vor dreißig Minuten über die direkte Verbindung zum Schiff eingetroffen. Man hatte es noch nicht an die Medienkonzerne weitergegeben, also war es noch nicht in den allgemein zugänglichen Kanälen des Schiffsnetzes aufgetaucht. Bella hatte nicht darauf gedrängt, dass alle zu diesem Treffen erschienen. Es hatte zwar mit Janus zu tun, aber es besaß keine unmittelbare Bedeutung für diese Mission. Deshalb hatte sie die ohnehin überarbeitete Besatzung nicht zusätzlich belasten wollen. Dennoch hatten die meisten Mitglieder von Sauls Arbeitsgruppe die Einladung angenommen, genauso wie eine Handvoll Neugieriger aus anderen Abteilungen.
    »Du meinst, dieses Ding war schon die ganze Zeit da?«, fragte Parry. »Es hat nur darauf gewartet, dass wir es sehen?«
    Bella lächelte. »Ganz so einfach ist es nicht. Es war eine gewaltige koordinierte Anstrengung erforderlich, um dieses Bild zu gewinnen. Zu solch einer Beobachtung kommt es nur etwa einmal pro Jahr, wenn eine Konstellation extrasolarer Planeten besonders günstig ist und jemand glaubt, es bestünde die Chance, eine Eiskappe oder einen Kontinent abbilden zu können. Wenn vor einem Monat jemand vorgeschlagen hätte, Spica ins Visier zu nehmen, wäre er unter lautem Gelächter verjagt worden.«
    »Wie … wie groß ist es?«, fragte Regis zögernd, als hätte diese Frage etwas Ketzerisches und könnte nur im engsten Kreis von Vertrauten geäußert werden.
    »Groß«, sagte Bella. »Richtig groß. Das Gebilde scheint in der Nähe des Lagrange-Punktes zwischen den zwei Sternen zu schweben, wo sich ihr Schwerkrafteinfluss gegenseitig aufhebt. Wenn das der Fall ist, muss das Objekt wirklich gigantisch sein – siebzehn oder achtzehn Lichtsekunden breit und fast drei Lichtminuten lang. Wenn man die Erde vor ein Ende der Röhre platziert, würde das andere Ende bis zur Umlaufbahn der Venus reichen.«
    »Das ist wirklich groß«, sagte Regis.
    »Euch dürfte auffallen, das die Längsachse der Röhre nicht auf den Vektor der Gravitationszentren beider Sterne ausgerichtet ist. Selbst wenn es so wäre, würden unvorstellbare Gezeitenkräfte an der Röhre zerren, und in dieser geneigten Anordnung würden die zwei Sterne versuchen, sie wie einen trockenen Zweig zu zerbrechen. Trotzdem gibt es keinen Hinweis auf die Wirkung solcher Kräfte. Soweit wir mit unseren Beobachtungsmöglichkeiten feststellen können, scheint das Objekt nicht von den Schwerkraftgradienten beeinflusst zu werden. Das Ding ist absolut stabil. Es kann einfach nicht aus Material bestehen, das den üblichen interatomaren Wechselwirkungen unterliegt.«
    Svetlana hob die Hand. »Eine weitere Frage, die wahrscheinlich ziemlich blöd klingt: Was ist es?«
    »Wir wissen es nicht. Wir werden es wahrscheinlich niemals erfahren, es sei denn, Janus gibt uns irgendeinen Hinweis. Aber wir können spekulieren. Spica ist das Ziel von Janus. Dort muss seine Heimat sein. Dort müssen sie leben.«
    Svetlana sah sie mit verächtlichem Gesichtsausdruck an. »In diesem Ding? In einem offenen Gerüst?«
    »Mach dir die Dimensionen klar«, sagte Bella. »Wenn wir die Größe des Objekts richtig eingeschätzt haben, hat jede der Rippen eine Dicke von etwa einer halben Lichtsekunde. Jetzt stell dir vor, dass diese Rippen Hohlzylinder sind, dessen Innenseiten als Lebensraum genutzt werden. Nur eine einzige solche Rippe hätte demnach eine innere Oberfläche, die fünfzigtausendmal so groß wie die der Erde wäre. Und davon gibt es insgesamt zwanzig. Das ist ein Lebensraum, der einer Million Erden entspricht – die Querstreben noch gar nicht mitgerechnet. Ansonsten könnte man diese Zahl noch einmal verdoppeln.« Bella sah Svetlana lächelnd an. »Ist das genug Platz für dich, oder brauchst du noch mehr?«
    Bella hatte gehofft, dass gelacht wurde, aber das unvorstellbare spicanische Gebilde hatte sie auf einer sehr tiefen Ebene berührt. Janus war eindeutig das Produkt einer Zivilisation, deren Fähigkeiten weit über die der Menschen hinausgingen. Die technologische Kluft musste Jahrhunderte, vielleicht sogar Jahrtausende weit sein. Aber die Konstruktion im Spica-System sprengte den Rahmen der ersten Abschätzungen. Es war das Resultat einer Weiterentwicklung, die sich nicht mehr in behäbigen historischen Zeiteinheiten messen ließ.
    Diese Kluft hatte bereits geologische Ausmaße und verlangte, dass sie in geologischen

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