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Himmelssturz

Himmelssturz

Titel: Himmelssturz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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abzuwarten, bis sie sich ein neues Bündel Lügen ausgedacht haben. Wir müssen sofort abbrechen. Wir müssen umkehren und den Rückflug antreten.«
    »Und Janus aufgeben?«
    »Wenn ich dir erklären würde, dass die unmittelbare Gefahr eines Auseinanderbrechens des Schiffes droht, würdest die Mission bestimmt sofort abbrechen, nicht wahr?«
    »Die Antwort auf diese Frage kennst du längst.«
    »Dann musst du akzeptieren, dass diese Zahlen genauso fatal sind. Wir schaffen es bis Janus, aber für uns gibt es kein Rückflugticket.«
    »Hast du verifiziert, dass wir nicht genug Treibstoff für die Rückreise haben?«
    »Ich weiß, dass wir weniger Treibstoff haben, als sie uns weismachen wollen«, sagte Svetlana, deren Miene allmählich die Zuversicht verlor. »Ich hatte noch keine Zeit, eine dynamische Flugsimulation laufen zu lassen, um zu sehen, wie schlimm es wirklich steht. Aber wenn die Zahlen deutlich niedriger liegen als …«
    »Svieta«, sagte Bella entgegenkommend. »Ich habe verstanden, dass du einen Anlass zur Sorge siehst, aber dafür muss es eine normale Erklärung geben.«
    Svetlana stand wütend auf. »Was willst du sonst noch von mir hören?«
    Parry erhob sich ebenfalls und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Bleib ruhig«, hörte Bella ihn leise sagen.
    »Auf dieser Basis kann ich keine Entscheidung treffen«, sagte Bella. »Ich kann nicht plötzlich umdrehen und der Firma versuchten Mord vorwerfen, nur weil es ein paar Diskrepanzen zwischen zwei Dateien gibt.«
    »Hier geht es um viel mehr als nur ein paar Diskrepanzen«, gab Svetlana zurück.
    »Hör mir zu.« Bella unterdrückte ihren Drang, die Frau einfach niederzubrüllen. »Ich gebe dir recht, dass hier etwas Seltsames vor sich geht. Davon hast du mich überzeugt. Aber ich brauche mehr Beweise, bevor ich die Mission abbrechen kann.«
    »Du meinst, das ist immer noch nicht genug?«
    »Nicht aus meiner Perspektive. Ich brauche eine stichfeste Prognose unter realen Flugbedingungen, unter Berücksichtigung der Masse, die wir durch die zwei Treiber verloren haben. Ich will etwas in den Telemetrie-Logbüchern sehen, das deine Geschichte stützt.«
    »Ich kann dir nichts geben, was nicht da ist.«
    »Miss die noch vorhandene Treibstoffmenge in den Tanks. Benutze unsere Beschleunigungswerte, Newtons erstes Gesetz. Dazu müsstest du doch in der Lage sein.«
    »Dabei käme nichts heraus, was dich überzeugen würde. Das hier ist der beste Beweis, den ich dir zu bieten habe.«
    »Ich weigere mich zu glauben, dass sie so etwas mit uns machen würden«, sagte Bella.
    »Dann solltest du dich ganz schnell daran gewöhnen«, sagte Parry.
     
    In all den Jahren an Bord des Schiffes hatte Bella niemals Grund gehabt, einen ganz bestimmten Raum aufzusuchen. Doch jetzt befand sie sich in diesem Raum, zusammen mit Ryan Axford. Sie saßen auf Klappstühlen. Bella hatte eine Felljacke gegen die Kälte angezogen, und trotzdem wurden ihre Fingerspitzen bereits taub.
    »Was ich mich frage, Ryan: warum vier? Warum nicht zwei oder sechs?«
    »Darüber habe ich auch schon nachgedacht«, sagte Axford, dem die Kälte überhaupt nichts auszumachen schien. Er paffte an der Zigarette, die sie ihm angeboten hatte. Er rauchte, sagte er, weil er schon zu viele nichtrauchende Ärzte erlebt hatte, die sich anderen Süchten hingegeben hatten. Außerdem, so argumentierte er, gingen die Gesundheitsrisiken völlig im Zufallsrauschen unter, da es sich höchstens um Monate eines Lebens und keineswegs um Jahrzehnte handelte. »Irgendein Kosten-Nutzen-Analytiker muss entschieden haben, dass vier die optimale Zahl für unser typisches Missionsprofil und die Durchschnittszeiten zwischen zwei Shuttlebesuchen sein soll. Also machen wir uns noch ziemlich gut, nicht wahr?«
    »Einer weniger, und da waren’s nur noch drei«, sagte Bella.
    Die Enden von vier Leichenkästen nahmen eine Wand des engen stahlgrauen Raums ein. An den Enden der Kästen waren sogar metallene Etikettenhalter angebracht. Drei waren leer, doch nun hatte Axford eine Karte in den vierten gesteckt und sie mit seiner gewohnten ordentlichen Handschrift ausgefüllt. Die meisten Besatzungsmitglieder schrieben mit bemühten, kindlichen Buchstaben, wenn sie dazu gezwungen waren. Axford dagegen hatte die eleganteste und lesbarste Handschrift, die Bella jemals gesehen hatte. Sie war geradezu schön, beinahe kalligrafisch.
    Laut Karte enthielt der Kasten die eingefrorene Leiche von Mike Takahashi, der durch einen Unfall bei einem

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