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Himmelssucher - Roman

Himmelssucher - Roman

Titel: Himmelssucher - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carl's books Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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an, Mina machte ihr ihren berühmten Tee, und sie unterhielten sich. Deine Tante muss ihr alles über Sunil erzählt haben und irgendwann wohl auch von mir …«
    Er überlegte.
    »Als Sheniqua von mir hörte, bot sie an, sich um die Weiterleitung der Briefe zu kümmern. Ich schickte meine Briefe an sie, und Sheniqua schickte Minas Briefe an mich. Und sie lieferte sie nur ab, wenn Sunil und der Junge nicht im Haus waren. Mina las sie und gab sie Sheniqua gleich wieder mit. Sheniqua hat sie alle aufgehoben. Alle.«
    »Das ist wirklich unglaublich.«
    »Ich weiß nicht, wie sie es die ganze Zeit vor ihrem Mann geheimhalten konnte, aber irgendwie hat sie es geschafft …«
    »Habt ihr euch noch mal gesehen?«, fragte ich, ohne mir bewusst zu sein, wie heikel die Frage sein konnte – das bemerkte ich erst, als Nathan nicht darauf antwortete.
    Lange sah er mich nur an, still und eindringlich.
    In diesem Moment setzte die arabische Musik aus den Lautsprechern aus, und die Alltagsgeräusche schoben sich in den Vordergrund: die klappernden Löffel in den Porzellantassen, die gedämpften Unterhaltungen der Gäste, das Piepen der Registrierkasse im Erdgeschoss. Nathan sah weg und nahm einen Schluck Kaffee. Ein Schimmern lag in seinen Augen, das für mich von Sehnsucht und Bedauern zeugte. Ich wollte meine Frage wiederholen, ließ es dann aber bleiben.
    Und plötzlich setzte die Musik wieder ein.
    »Ich muss los, Hayat«, sagte er und sah auf seine Uhr. »Ich bin froh, dass wir uns gesehen haben.«
    »Ich auch.«
    »Willst du sie?«, fragte er und zeigte auf die Baklava vor sich. »Sie sind sehr lecker. Sie machen sie hier mit Rosenwasser.«
    »Du willst sie nicht mehr?«
    »Mir ist irgendwie der Appetit vergangen.« Nathan stand auf und streckte mir die Hand hin. Ich erhob mich ebenfalls. »Viel Glück bei allem. Und wenn du mich mal erreichen möchtest, ich arbeite im Massachusetts General. In der Radiologie.«
    »Okay. Danke … Ähm, Nathan, weißt du … es gibt da noch was, was ich dir sagen sollte …«
    Er hob die Hand und sah mich freundlich und wissend an. »Hayat, egal, was es ist, mach dir keine Sorgen. Es ist gut.« Er lächelte. »Viel Glück beim Atlantic . Ich halte nach deinem Namen Ausschau.«
    »Erhoffe dir nicht zu viel«, erwiderte ich.
    Er drehte sich um und trat ans Geländer. Nach einem letzten langen Blick ging er die Treppe hinunter.
    Ich blieb noch etwas im Café und aß die Baklava, die Nathan mir überlassen hatte. Es erstaunte mich, dass er und Mina in Kontakt geblieben waren, und ich sinnierte über sein bedeutungsschwangeres Schweigen auf meine Frage, ob er und Mina sich noch einmal gesehen hatten. Fast verzweifelt wünschte ich mir, sie hätten sich noch mal getroffen.
    Ich packte meinen Block und den Stift ein und stand auf. Auf den Weg hinunter zur Straße fühlte ich mich hellwach. Draußen schlug mir die frische Märzbrise entgegen. Statt zur U-Bahn ging ich in Richtung Fluss, vorbei an den Campus-Gebäuden und den alten Häusern an der Brattle Street und der Mount Auburn. Mir war leicht und beschwingt zumute, sogar der Boden unter meinen Füßen fühlte sich anders an.
    Und während ich so mit dem Wind vor mich hin schlenderte, kamen mir Verse aus dem Koran in den Sinn, an den ich seit mehr als zehn Jahre nicht mehr gedacht hatte:
    Haben wir nicht deine Brust geweitet
Und dir deine Last abgenommen? …
Haben wir nicht deinen Ruf erhört?
Wahrlich, mit Drangsal geht Erleichterung einher,
Mit Drangsal geht Erleichterung einher!
Und wenn du also fertig bist, ruhe nicht,
Sondern wende dich mit Liebe an deinen Herrn …
    Ich überquerte die Straße am Flussufer und fand eine Bank am Weg, der vor allem von Joggern genutzt wurde. Träge floss der Charles River dahin, das Wasser, braun nach den tagelangen Regenfällen, wurde vom Wind aufgewühlt. Auf der anderen Flussseite standen kahle Bäume. Um mich herum braunes Gras, das erst vor Kurzem vom Schnee befreit worden war. Jogger liefen in beiden Richtungen vorbei, im gleichmäßigen Rhythmus strichen ihre Turnschuhe über den nassen Teer. Ich setzte mich. Hinter mir erhob sich eine nackte Linde, ihre knospenden Äste bildeten über der Bank eine Kuppel, deren Schatten in wenigen Monaten vor der Sommersonne schützen würde. Im Moment aber war am grauen, bedeckten Himmel von der Sonne nichts zu sehen. Knapp über dem Horizont ballten sich dunkelblaue, regengesättigte Wolken, die sich nur langsam bewegten. Ein Bild von Kraft und Anmut, das mich mit

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