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Himmelssucher - Roman

Himmelssucher - Roman

Titel: Himmelssucher - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carl's books Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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ganz sicher, ob ich träumte.
    »Geh wieder ins Bett«, hörte ich hinter mir eine Stimme. Ich drehte mich um. Mutter stand in der Tür. Die lodernden Flammen spiegelten sich in ihren Augen. »Eines von den weißen Flittchen deines Vaters hat seinen Mercedes abgefackelt.« Sie stellte sich neben mich. Zusammen sahen wir zu, wie die Feuerwehrleute die Flammen löschten. Es dauerte nicht lange. Fast augenblicklich war das Feuer aus, und die nasse, ausgebrannte Karosserie rauchte nur noch vor sich hin.
    Mutter drehte sich mir zu, noch immer blitzten ihre Augen, obwohl es jetzt dunkel war im Zimmer. »Deshalb sage ich dir immer, Behta … Lass dich nicht auf eine weiße Frau ein.«
    Sie brachte mich zum Bett und packte mich mit einem Kuss unter die Decke. Als sie fort war, stand ich wieder auf und kehrte ans Fenster zurück. Ich entdeckte Vater, der nach vorn gebeugt durch den fallenden Schnee stapfte und die Feuerwehrleute ins Haus führte. Ich kroch ins Bett und schlief unter dem Gemurmel von Männerstimmen, das die Treppe heraufzog, wieder ein.
    Die ganze Nacht träumte ich vom Feuer.
    Als ich am nächsten Morgen zum Frühstück nach unten kam, war Vater nicht da.
    »Wo ist Dad?«, fragte ich.
    »In der Arbeit«, erwiderte Mutter. »Er hat meinen Wagen nehmen müssen«, fügte sie mit einem genüsslichen Grinsen hinzu, während sie zwei Teller mit Parathas und Spiegeleiern auf den Tisch stellte.
    »Parathas?«, fragte ich. Sie machte sonst nur an Wochenenden Parathas.
    »Iss, mein Lieber. Ich weiß, das magst du am liebsten.«
    Mutter ließ sich mir gegenüber nieder, riss eine Kante des mit Ghee getränkten, knusprig herausgebackenen und von mir so sehr geliebten Brotes ab, stocherte damit in ihrem Ei herum, bis der Dotter platzte und zerlief. »Eine seiner weißen Prostituierten hat von seinen Versprechungen anscheinend die Schnauze voll gehabt«, begann Mutter. »Weiß der Teufel, was er ihr alles versprochen hat. Wenn er sich betrinkt, plappert er einfach drauflos und weiß wahrscheinlich später selbst nicht mehr, was er gesagt hat.« Sie löffelte sich mit ihrem Paratha Eigelb in den Mund. »Deshalb trinken wir nicht, Kurban , weil es dich beeinträchtigt . Es macht dich töricht .« Zähflüssige gelb-orange Pünktchen klebten an ihren Mundwinkeln, während sie kaute und redete. »Gib einem muslimischen Mann Alkohol, und er hechelt wie der letzte Trottel den weißen Frauen hinterher!«
    Von den Geliebten meines Vaters hörte ich, seitdem meine Mutter mich als Fünfjährigen durch die Straßen von Milwaukee geschleift hatte – auf der Suche nach Vater, den wir schließlich in der Wohnung einer Frau fanden, die mit ihm im Krankenhaus arbeitete; damals wartete ich auf der Treppe, während sie und Vater sich oben auf dem Absatz anschrien. Während meiner Kindheit ersparte mir Mutter kaum ein Detail ihrer Probleme mit Vater. Mit zehn kannte ich mich selbst schließlich gut genug, um zu wissen, dass es mich wütend machte, wenn ich ihr länger zuhörte.
    Ich zog den Kopf ein und hoffte, das Gewitter würde über mich hinwegziehen, aber das war unwahrscheinlich. Sie war richtig in Fahrt an diesem Morgen. Selbst ihr Äußeres war verändert – meistens erschien sie ungekämmt, verbittert, mit zunehmend verhärmtem Gesicht, und ihr dünnes braunes Haar war oft am Abend noch so zerzaust, als wäre sie gerade erst aufgestanden. Doch an diesem Morgen hatte sie geduscht und sich angezogen, als wollte sie wirklich das Haus verlassen.
    »Aber jetzt hat er die Möglichkeit, zur Abwechslung mal das Richtige zu tun«, sagte sie und brach ein weiteres Stück vom Paratha ab. »Jetzt kann er jemandem helfen, der in Not ist. Deine Tante Mina braucht jemanden, der ihr und dem Jungen hilft … Jede Nacht liege ich wach und muss daran denken, was sie alles durchmacht. Der Junge ist schon vier. Sie müssen sich jetzt überlegen, wie sie rauskommen wollen. Oder es wird zu spät sein.« Sie nahm einen weiteren Bissen, kaute und schüttelte den Kopf. »Man demütigt nicht seine Frau und sein Kind vor den Augen aller Welt, ohne dass das Folgen hätte. Hier weiß er nicht so recht, dort weiß er nicht so recht, aber jetzt hat er keine andere Wahl mehr. Sie kommt, und er wird nichts dagegen einwenden können. Nach der vergangenen Nacht ist er mir das schuldig.«
    »Mom, ich verpasse noch meinen Bus.«
    Sie sah auf und zur Uhr. »Du hast noch Zeit. Fünf Minuten. Iss dein Frühstück zu Ende.«
    »Ich habe keinen Hunger. Ich muss noch meine

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