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Himmelssucher - Roman

Himmelssucher - Roman

Titel: Himmelssucher - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carl's books Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Sachen packen. Meine Hausaufgaben.«
    »Trink deinen Saft aus.«
    Ich stand auf und leerte mit einem Zug den Orangensaft. Bevor ich gehen konnte, zog Mutter mich zu sich heran. » Meri-Jaan , vergiss nicht: Das Geheimnis eines glücklichen Lebens liegt im Respekt. Respekt, den du dir selbst und anderen entgegenbringst. Das habe ich von meinem Vater gelernt, Behta , den du nicht kennst … und der ein kluger Mann war. Man könnte sogar sagen, dass er noch nicht mal ein Muslim war. Er hatte eher was von einem Juden an sich.«
    »Ich habe meine Sachen noch nicht gepackt, Mom«, maulte ich.
    »Schon gut, schon gut«, seufzte sie. Ich küsste sie auf die Wange und lief in mein Zimmer, um die Schulsachen zu packen.

2
    EINE LEISE STIMME
    M utter behielt recht. Nach dem Zwischenfall mit dem Wagen gewann sie problemlos Vaters Unterstützung für ihren Plan, Mina nach Milwaukee zu holen. Jetzt mussten nur noch Minas Eltern überzeugt werden. Mutter telefonierte stundenlang mit Rafiq und Rabia Ali und versicherte ihnen, man würde hier auf ihre Tochter gut aufpassen. Sie könne so lange unterkommen, bis sie ihr Leben neu geordnet habe, und Mutter versprach, für Imran zu sorgen, als wäre er ihr eigener Sohn. Es stellte sich heraus, dass die Beteuerungen, die Minas Eltern eigentlich hören wollten, weniger mit der Unterbringung ihrer Tochter, sondern eher mit deren Unbescholtenheit zu tun hatten. Denn selbst für Muslime aus der westlich orientierten Mittelschicht wie die Alis – Minas Mutter war ein glühender Elvis-Fan, und ihr Vater pflegte eine große Leidenschaft für Marlboros und Wildwest-Romane – war Amerika keineswegs das Land des Überflusses und der unbegrenzten Möglichkeiten, sondern das der Sünde; die Freiheit, an der sich sonst die Vorstellungskraft berauschte, verdarb und zersetzte die Seelen der Menschen. Und für Amerikas moralische Verkommenheit gab es kein besseres Sinnbild als die amerikanische Frau, die, von der Freiheit dazu ermutigt, sich ihrer Vergnügungs- und Selbstsucht hinzugeben, ganz begierig darauf war, sich im Beisein wildfremder Menschen die Kleider vom Leib zu reißen. Dass ihre Tochter zu einem dieser Wesen werden könnte, wünschten die Alis unter allen Umständen zu vermeiden.
    Oder unter fast allen Umständen, wie Vater eines Abends beim Essen anmerkte.
    »Wie scheinheilig«, beschwerte sich Mutter, während Vater und ich Hühnchen-Karahi mampften. »Rafiq will, dass seine Söhne hierher kommen, aber nicht seine Tochter. Wenn die Söhne mit weißen Frauen herumziehen, spielt das keine Rolle, aber Gott behüte, wenn sie dabei ertappt würde, wenn sie einen weißen Mann auch nur ansieht.«
    »Die Söhne?«, fragte Vater.
    »Das ist der einzige Grund, warum er überhaupt einen Gedanken daran verschwendet. Wenn sie kommt, kann sie ihren jüngeren Brüdern später unter die Arme greifen.«
    Vater lächelte mokant. »Rafiq versucht also herauszukriegen, ob das Geld, das seine Söhne ihm aus Amerika schicken werden, es wert ist, wenn er seine Tochter zur Hure macht …«
    Ich wusste nicht, was dieses Wort genau bedeutete, aber bevor ich danach fragen konnte, schaltete sich Mutter dazwischen. »Findest du das witzig? So ein Wort vor deinem eigenen Kind?«
    Vater sah mich an. »Je früher er weiß, wie es auf der Welt zugeht, umso besser.«
    Mutter wandte sich an mich. »Halt dir die Ohren zu!«
    »Mom …«
    »Keine Widerrede, Hayat.«
    Widerstrebend wischte ich mir die curryverschmierten Hände ab und tat wie angewiesen. Das verhinderte allerdings nicht, dass ich hörte, was sie als Nächstes zu ihm sagte.
    »Wenn du noch mal in seiner Gegenwart solche Ausdrücke in den Mund nimmst, werde ich dich hier rauswerfen lassen. Rauswerfen , hörst du?«
    Vater wartete kurz, bevor er zu einer Erwiderung ansetzte. »Ist das ein Versprechen?«, sagte er trocken, sah dann schulterzuckend weg und aß weiter.
    Letztlich erklärten sich Minas Eltern aus welchen Gründen auch immer dazu bereit, sie zu uns zu schicken. Wir erfuhren davon, als es eines Nachmittags an der Tür klingelte. Ich öffnete. Vor mir stand ein spindeldürrer Mann mittleren Alters mit stechend blauen Augen und einem violetten Muttermal, das sich über die Nase und die rechte Wange zog. In der einen Hand hielt er ein Klemmbrett, in der anderen einen dünnen Umschlag.
    »Shah?«
    »Ja.«
    »Telegramm«, sagte er und reichte mir den Umschlag.
    »Was ist das?«
    »Ein Fernschreiben. Hier unterschreiben.« Er hielt mir das Klemmbrett hin,

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