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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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ich war mit Leo allein. Der See lag still da und glitzerte im Mondlicht. Der Mond hing groß und golden über uns. Vereinzelte Blüten tanzten noch in der Luft, aber die meisten hatten sich bereits gelegt. Leo stand vor mir und schaute mich mit seinen unverkennbar grünen Augen an. Erst jetzt bemerkte ich, dass er einen altmodischen schwarzen Umhang trug.
    „Was hast du denn da an?“
    „Das hilft am Anfang, sich in Feuer zu verwandeln. Deshalb trägt Ranja, zum Beispiel diese weiten Röcke.“
    „Hm, sieht eher aus wie ein Vampir.“
    Leo schmunzelte.
    „Für den Mist hier ist er allerdings auch gut.“
    Er zog sich den Umhang von den Schultern, streifte seine Schuhe von den Füßen, krempelte seine Hosen bis zu den Knien und ging ins Wasser, um den Umhang wie einen Kescher zu benutzen und die Rußpartikel einzusammeln, die ans Ufer trieben.
    „Lass das. Das geht auf meine Kappe.“ Aber Leo beachtete meinen Einwand nicht.
    „Wasser zum Brennen bringen. Soweit hab ich es noch nicht gebracht“, gab er mit einer gewissen Ironie im Unterton zu und filterte weiter das Wasser. Was er konnte, konnte ich auch. Ich zog meine Kapuzenjacke aus und tat es ihm gleich.
    „Normaler Weise fluten die Undinen den halben Wald, wenn jemand ihr Hoheitsgebiet bedroht. Aber selbst die Unbequemste von allen ist ja vor dir geflüchtet.“
    „Du kanntest die Undine?“
    „Minchin. War mal in mich verknallt.“
    Natürlich, auch die schönen Undinen waren alle in Leo verknallt. Ich verdrehte die Augen. Leo sah es.
    „Man, nicht was du wieder alles denkst. Minchin versucht an jeden männlichen Neuankömmling hier ranzukommen, ohne Ausnahme.“
    „Ach, und dir war sie wohl nicht schön genug?“, lästerte ich und wusste im selben Moment, dass das eine dumme Bemerkung war.
    „Eifersüchtig?“ Leo grinste und ich hätte ihm am liebsten meine Rußsammlung ins Gesicht geschüttet, aber das hätte nur nach noch stärkerer Eifersucht ausgesehen. Wir schwiegen eine Weile. Dann stellte ich die Frage, auf die er wahrscheinlich wartete.
    „Also, was ist nun die Geschichte dahinter?“ Ich klang leicht genervt und etwas gelangweilt, aber musste zugeben, dass es mich interessierte.
    „Nichts Großartiges. Sie will auf dem Trocknen leben, mit vielen Kleidern und Haaren, die Farbe haben und aus denen man täglich eine neue Frisur machen kann. Das geht bei Undinen aber nur, wenn sie einen Menschen dazu bringen, sich in sie zu verknallen, und sie zu heiraten. Noch nie davon gehört?“
    Ich schüttelte den Kopf.
    „Aber du wolltest dich so früh noch nicht festlegen …?“, stichelte ich weiter.
    „Nein, ich wollte nicht abgemurkst werden, wenn ich sie irgendwann nicht mehr liebe“, gab er zurück.
    „Das machen Undinen dann nämlich. Sie töten denjenigen, den sie nicht für sich gewinnen können oder wieder verlieren, weil sie ohne die Liebe eines Mensch buchstäblich vertrocknen und nur sein Tod sie wieder ein Wasserwesen werden lässt.“
    „Klingt ja tot-romantisch, wie im Märchen.“
    „Naja, dir ist vielleicht schon mal aufgefallen, dass die Bäume hier roter, grüner und blauer sind?“ Leo schenkte mir ein bezauberndes Lächeln. Auf einmal kam es mir albern vor, so zickig zu ihm zu sein. Ich schüttete eine schöne Sammlung Rußpartikel am Strand aus und fragte Leo:
     „Warum hast du eigentlich Ranja angelogen?“
    „Weil ich weiß, was mit Leuten wie dir passiert.“ Mich durchzuckte es. Reimte er sich da selber was zusammen oder hatte Jerome ihn eingeweiht?
    „Mit Leuten wie mir…?“
    „Du bist nicht nur Erde …“
    Ich presste meine Lippen aufeinander, als könnte ich damit verhindern, dass er es in die Nacht hinaus posaunte.
    „Wer sagt das? Jerome? Ihr seid ganz gut befreundet, nicht wahr?!“
    Über Leos Gesicht legte sich ein Schatten, den ich nicht deuten konnte.
    Etwas beleidigt gab er zurück:
    „Um das zu sehen, brauche ich nicht Jerome, sondern nur ein paar Minuten mit dir auf meinem Teppich oder das hier …“
    Er wies mit einer Handbewegung auf das Chaos am Strand. Für den ersten Satz hätte ich schon wieder ausflippen können.
    „Du spionierst mir nach!“, warf ich ihm vor.
    „Jetzt nimmst du dich zu wichtig“, gab ich zurück.
    Ich krallte meine Fingernägel in die Handinnenfläche. Der Schmerz tat irgendwie gut. Er überdeckte den abgrundtiefen Schmerz in mir, vor dem ich versucht hatte zu flüchten.
    „Du hast Glück, dass Ranja die Schneise im Wald nicht gesehen hat, die du gepflügt

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