Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
Vom Netzwerk:
Schultern.
    „Seine Emotionen waren sehr stark … den ganzen Abend.“
    In mir ging alles drunter und drüber. Was wollte Neve mir sagen oder auch nicht sagen? Tim und Luisa? Klar, total abwegig war das nicht. Ohne meine Verwandlung wäre Luisa tausend Mal attraktiver als ich. Außerdem war sie sehr klug und wirkte genau so erwachsen wie Tim. Vielleicht hatten sie sich wegen mir gefunden. Aber das konnte doch alles nicht sein!
    „Sie müssen doch über irgendwas geredet haben. Nun sag schon! Haben sie über mich geredet?“
    „Ja, auch. Luisas Vater sagte, Tim solle dich nicht suchen. Er solle darüber nicht weiter nachdenken. Er fantasiere sich da was zusammen.
    Luisa stimmte ihrem Vater zu und nahm Tims Hand. Tim soll akzeptieren, dass du abgehauen bist, um erst mal mit dir selber klar zu kommen.“
    „Was?“ Ich sprang auf und stützte mich in Angriffshaltung auf dem Tisch ab. Neve warf mir einen unerwartet stechenden Blick zu. Ich bekam augenblicklich das Gefühl, aus Pudding zu bestehen und schwappte wieder auf meinen Stuhl.
    „Keine Ausbrüche in meinem Haus!“, sagte sie.
    „Du wolltest, dass ich zu ihm gehe.“
    „Ja …“, gab ich klein bei.
    „Haben sie sich geküsst? Sag mir ruhig alles.“
    „Das weiß ich nicht. So lange bin ich nicht geblieben. Ich bleib doch nicht im Zimmer, wenn … Na, du weißt schon …“
    Ich spürte etwas Warmes, Feuchtes an meinen Wangen. Tränen liefen über mein Gesicht. Tim und Luisa … Wie konnte mir Luisa das antun??
    Vielleicht hatten sie alle recht. In unserem Alter gab es noch keine wahre Liebe. Und Tim war kein Kind von Traurigkeit. Er war ein Typ, der das Leben genießen wollte, in vollen Zügen, ein offener, sonniger und neugieriger Mensch. Warum sollte er auf mich warten? Auf eine, die man in die Psychiatrie gesteckt hatte und die für ewige Zeit weglief, ohne ihn einzuweihen, um sich angeblich selbst zu finden. Die auch nur eine E-Mail schrieb und dann nicht mehr antwortete. Was hatte ich erwartet?
    In mir brodelte es wie in einem Reagenzgas, das gleich explodieren würde, weil man darin ein paar unverträgliche Stoffe gemischt hatte.
    Neve sagte noch irgendwas, aber ich verstand sie nicht richtig. Irgendwas, wie vergiss ihn . Oh ja, das würde ich tun! Ich stürmte zur Tür hinaus. Die Klinke flog wieder gegen die Wand.
    ***
    Ich rannte in den Wald hinein beziehungsweise ich wusste gar nicht, ob ich rannte. Ich fühlte mich wie ein Sturm. Die Äste bogen sich links und rechts von mir weg. Meine Hände waren verzerrt, ich konnte mein Gesicht nicht fühlen. Ich sah meine Füße nicht. Ich flog. Ich war ein Rauschen. Ich war selbst der Sturm. Und es war mir egal. Ich hatte kein bisschen Angst, im Gegenteil. Es fühlte sich im wahrsten Sinne des Wortes berauschend an. Ich stürmte zum See und wusste nicht, warum. Der Abendhimmel überzog sich mit schwarzen Wolken, die aussahen wie die Schatten, aber selbst das war mir egal. Sie wurden mit Blitzen durchzuckt. Ich warf mich auf den Sand am Ufer. Unzählige Blüten stoben in alle Richtungen. Ich war wieder ich selbst, als wäre ich eine dieser Wolken, die vom Himmel gefallen war und sich dabei in einen Menschen verwandelt hatte. Tausende Blüten, die den Boden bedeckt hatten, stoben davon. Ich sah, wie die Erde unter mir Risse bekam. Einen Augenblick später krachte ich in den See. Ich schrie. Ich hatte nicht mitbekommen, dass ich auf einem Felsvorsprung gelandet war.
    Aber selbst das Wasser war mir egal. Wenn ich auf ungewöhnliche Weise durch den See gekommen war, vielleicht funktionierte das auch zurück! Mir war es gleichgültig. Meinetwegen konnte ich auch ertrinken. Allerdings war mein Überlebenswille stärker als meine fatalistische Wut. Ich rappelte mich im Wasser auf und begann am ganzen Körper zu brennen. Ich bildete eine feine rote Aureole um mich. Das Wasser konnte mich mal! Kleine Flammen huschten über die Wasseroberfläche, als hätte jemand Öl hinein gekippt und es angezündet.
    „Hey, verdammt! Hör sofort auf damit!“ Irgendwoher kam eine zarte, hohe und ziemlich unirdische Stimme, die mich sofort an den Gesang von Sirenen denken ließ. Ich kletterte aus dem Wasser und sah mich um. Ein kleiner Kopf mit weißen Haaren tauchte immer wieder vor den Flammen weg und schwamm auf mich zu. Eine Undine. Sie stieg aus den sich leicht kräuselnden Wellen und blieb vor mir stehen, als ihr das Wasser nur noch bis zu den Knöcheln reichte.
    „Mach das aus, verdammt noch mal. Das darfst du nicht!

Weitere Kostenlose Bücher