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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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Ernstes.“
    Neve hörte mir mit halb offenem Mund zu. Sie sah erstaunt, erleichtert und traurig gleichzeitig aus.
    „Tut mir trotzdem leid, ich …“
    „Ich hatte wirklich schon fast geschlafen. Es war richtig, dass du ihn weggeschickt hast und jetzt mach dir keinen Kopf mehr, Ja?! ... Ich bin furchtbar müde, weißt du …“
    Neve schwieg und schaute mich an mit ihren großen, blauen Augen. Hoffentlich klang ich nicht zu versöhnlich, so dass sie misstrauisch wurde. Aber sie stieß einen Seufzer der Erleichterung aus und sagte:
    „Okay, dann schlaf gut.“ Neve umarmte mich.
    „Ich bin heute Nacht unterwegs, hab da einen schwierigen Fall Draußen. Der braucht mich“, erklärte sie mit einem vieldeutigen Grinsen. Aber ich ging auf ihre Andeutung nicht ein. Dazu hatte ich gerade überhaupt keine Kapazität.
    „Oh, na dann viel Erfolg. Und gute Nacht“, sagte ich nur und stieg erleichtert die Treppen hoch. Neve würde heute Nacht nicht da sein. Das Rausschleichen um null Uhr war also kein Problem.
    ***
    Kurz nach 22 Uhr hörte ich die Haustür. Neve war gegangen. Ich verbrachte ungefähr eine Stunde vor dem Kleiderschrank. Was sollte ich anziehen? Kleid, Rock, Hose, wieder Kleid … Am Ende war es doch die schwarze Hose und das dunkelblaue Kapuzenshirt. Wenn eine Situation vor mir lag, die aufregend war, vermied ich auffällige Kleidung, die die Blicke auf sich zog und mich mit meiner Aufregung zu sehr in den Fokus rücken würde. Fertig angekleidet legte ich mich auf mein Bett. 22.55 Uhr. Ich wälzte mich bestimmt hundert Mal hin und her und starrte mindestens genau so oft auf die Digitalanzeige. Einmal wollte die Minute überhaupt nicht vergehen, so dass ich kontrollierte, ob die Batterien noch funktionierten. Natürlich gab es gar keine Batterien. In der magischen Welt luden sich elektronische Dinge von selbst auf. Das hatte ich für einen Moment vergessen. Warum war Tim her gekommen? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Luisa ihn zu dieser Aktion ermutigt hatte. Wahrscheinlicher war, dass sie davon gar nichts wusste. Das machte mir Hoffnung. Vielleicht waren sie nicht mehr zusammen. Vielleicht waren sie nie zusammen gewesen und Neve hatte alles falsch interpretiert. So musste es sein. Seit Tim hier war, war ich nicht fähig, es mir anders vorzustellen. 23.55 Uhr. Endlich! Ich stand auf und rückte mein Sweatshirt vor dem Spiegel zurecht.
    Bevor ich ging, warf ich noch einen kurzen Blick aus dem Fenster. Bei Leo war alles dunkel. Einen Moment lang tat er mir irgendwie leid. Draußen war es stockfinster und still. Kein Blatt regte sich. Ranja wartete wie verabredet hinter der Tanne.
    „Komm“, flüsterte sie.
     
    Ich folgte Ranja. Wir liefen schweigend durch den Wald. Ranja voran, ich hinter ihr her. Der Weg führte links am See entlang und war bald nur noch ein schmaler Pfad. Hier war ich noch nie gewesen. Das Licht der Sterne schimmerte blau von der Wasseroberfläche herüber. Die Bäume mit den weißen Blättern wiegten sich über uns wie Gespenster. Es war grabesstill. Selbst der Schall unserer Schritte wurde von einem weichen Moos unter unseren Füßen geschluckt. Der Pfad verzweigte sich immer wieder. Mal gingen wir rechts, dann wieder links. Fast kam es mir vor wie ein Irrgarten. Der See geriet außer Sicht. Bald war mir klar, dass ich allein nicht mehr so ohne weiteres zurückfinden würde. Ich hatte nicht geahnt, dass sich die magische Welt in diese Richtung noch so weit erstreckte. Die Dimensionen der magischen Blase waren und blieben ein Geheimnis.
    Ich rechnete mit einem Eingang oder einem irgendwie gekennzeichneten Übergang zum grünen Raum. Aber wir passierten nichts dergleichen. Stattdessen betraten wir irgendwann eine Wiese, die leuchtete, als befänden sich unter der Grasnarbe etliche kleine Strahler. In der Mitte, etwa zwanzig Meter vor uns entdeckte ich einen gewöhnlichen Esstisch aus Holz, daneben befand sich ein kleiner Schrank mit einem Wasserkocher und etwas zu essen, ein Stuhl und ein Bett. Darüber spannte sich der Himmel mit seinen unzähligen Sternen. Das ganze wirkte wie eine bezaubernd romantische Bühneninszenierung. Ranja hatte mir bereits erklärt, dass der Grüne Raum schon so etwas wie ein Gefängnis war, nur eben nicht wie eine herkömmliche Zelle mit Gitterstäben. Denn das würde nichts nützen, wenn Leute aus der magischen Welt ins Gewahrsam gebracht werden mussten. Hier dagegen waren magische Kräfte nicht wirksam. Man konnte über die Wiese laufen, soweit man

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