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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe
Autoren: Daphne Unruh
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langsam runter. Du musst viel schlafen, hat er gesagt.“
    Ich schloss die Augen und glaubte für einen Moment, dahinter noch einen Schimmer des glitzernden Sees aus meinem Traum wahrzunehmen. Mein Hals war furchtbar trocken und brannte, als hätte ich Feuer geschluckt.
    Schon wieder ein Traum, in dem irgendein Fremder zu Tim wurde oder Tim zu einem Fremden wurde, Tim aber definitiv vorkam. Und immer unter Wasser, wo Wasser doch das war, was mich am meisten ängstigte. Delia hatte versucht, mir schwimmen beizubringen, als ich vier war und mich dabei fast ertrinken lassen. Es war meine erste Erinnerung, in der Gregor Delia anbrüllte und Delia weinend den Pool verließ. Mich bekam in diesem Urlaub niemand mehr ins Wasser. Und auch die Jahre danach nicht. Inzwischen konnte ich mich ein paar Minuten über Wasser halten, wenn es sein musste, aber mehr auch nicht. Jedenfalls, ich wollte nicht von Tim träumen, ich wollte nicht in ihn verknallt sein wie jedes andere dumme Mädchen aus der Schule. Es war lachhaft.
    „Hast du Durst?“, fragte Delia mit sanfter Stimme. Sie klang aufrichtig besorgt und ängstlich, wie immer, wenn es mir schlecht ging.
    Ich nickte. Sie half mir ein wenig auf, schenkte mir aus einer großen Karaffe ein Glas Wasser ein und führte es an meinen Mund. Wahrscheinlich bin ich ein dummes Teeniemädchen, dachte ich. Man konnte diese Phase eben nicht einfach überspringen. Aber immerhin war ich in der Lage, sie mit Abstand zu betrachten. Ich trank ein paar Schlucke, ließ mich ins Kissen zurücksinken und schloss die Augen.
    Delia nahm mir das inzwischen warm gewordene Tuch von der Stirn, tränkte es in einer Schüssel mit kaltem Wasser und legte es mir wieder auf. Ich hielt die Augen geschlossen und tat so, als wäre ich wieder eingeschlafen. Delia verließ mein dämmeriges, viel zu heißes und viel zu großes Zimmer. Ich blieb wach, versuchte, die letzten Fetzen meines Traumes zusammen zu setzen, während sie nach und nach in die grundlosen Tiefen des Unbewussten verschwanden. Der Gedanke an Tim verursachte allerdings eine seltsame Nervosität in mir, die nicht nur von dem Traum herrühren konnte. Irgendetwas war doch mit ihm gewesen? Ich drehte mich auf die linke Seite und mein Blick fiel auf den Tagesspiegel, den Delia auf dem Nachttisch liegen gelassen hatte. „H2Optimal bringt Berlin auf Hochglanz“. Der Leitartikel handelte von Gregors Unternehmen. Und dann fiel mir alles wieder ein: die Pressekonferenz, Tims provokante Fragen und mein Auftritt vor Tim … ich wünschte im selben Moment, ich hätte mich nicht daran erinnert. Das Fieber war direkt nach der Attacke gegen Tim da gewesen, plötzlich, wie eine Feuerfontäne aus einem Krater. Aber was war danach passiert? Bestimmt hatte ich ohnmächtig zu Tims Füßen gelegen …
     
    Ich setzte mich ruckartig auf und … überraschender Weise fühlte ich mich dabei gar nicht übel, nicht mehr wie Brei, sondern eher, als hätte ich eine Bergtour gemacht. Vor zehn Minuten hatte ich kaum drei Schluck Wasser herunterbekommen. Jetzt griff ich nach der Karaffe und trank sie direkt aus der breiten Öffnung in großen Schlucken leer. Aus den Mundwinkeln rannen mir kleine Bäche den Hals hinab in den Kragen meines Schlafshirts. Ich schnappte nach Luft. Wow, das waren zwei Liter auf einmal gewesen.
    Nach dem ich wieder zu Atem gekommen war, stand ich auf und erwartete, wackelig auf den Beinen zu sein, wie immer, wenn ich ein paar Tage krank im Bett gelegen hatte, aber ich fühlte mich kräftig und gesund. Ich hatte auf einmal entsetzlichen Hunger, als würde ich auf der Stelle tot umfallen, falls ich nicht sofort was zu essen auftreiben konnte. Ich warf mir den Bademantel über und ging hinunter in die Küche. Delia stand am Fenster und telefonierte.
    „Ja, vorhin hatte sie noch 39,7. Sie meinen auch, ins Krankenhaus …“
    Offensichtlich ging es um mich. Aber ich hatte kein Fieber mehr. Mir ging es gut!
    „In Ordnung, Dr. Pötsch ... Nein, vielen Dank, um den Krankenwagen kümmere ich mich … Auf Wiedersehen.“
    Delia legte auf, drehte sich um und ließ vor Schreck das Telefon fallen. „Kira! Was machst du hier?!“
    „Ich muss was essen, sofort!“
    Hastig befühlte sie meine Stirn und dann meinen Nacken. Kurz überkam mich wieder dieses Fremdgefühl, die Exklusivität unserer Wohnung, meine wie aus dem Ei gepellte Mutter, mein ganzes Leben – als wäre ich in eine Soap geraten und meine Mutter spielte eine Krankenschwester, hatte aber gar kein
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