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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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etwas für mich zu tun und Kim aufzuhalten.
    Ich verließ mich auf meine Beine und raste los. Ich flitzte an zwei Feuerwehrwagen und einer Polizeistreife vorbei, die mit lautem Sirenengeheul in die Richtung meines Hauses fuhren. Ihr Ziel war klar. Ich fegte um die Ecke. Ich merkte nicht, wie ich mich in eine ziemlich heftige Windböe, angefüllt mit feinem Sand, auflöste. Ich hatte keine Ahnung, warum das gerade klappte. Auf jeden Fall ging es so von allein, dass mir meine Ängste vom Anfang, ich könnte mich irgendwann in irgendwas verwandeln, lächerlich vorkamen.
    Da, wo ich langfegte, fielen Äste von den Bäumen, kippten Fahrräder auf den Gehweg oder wurden auf die Fahrbahn geschleudert, Ziegel polterten vom Dachgesims, Plakate rissen von den Litfaßsäulen und Wänden ab. Als ich in der Friedrichstraße ankam und das Lafayette erreichte, krachten mal wieder zwei Glasscheiben auf die Straße, obwohl die Fassade inzwischen als sicher galt. Schreie des Entsetzens drangen von der Straße herauf, aber ich drehte mich nicht um.
    Ich schwang mich auf zu den obersten Etagen des Gebäudes, was jetzt vor mir aufragte. Arrogant, Protzig, unbesiegbar. Aber das Gebäude hatte sich getäuscht. Zuerst fegte ich das Geländer mitsamt den Stehtischen vom Dach der Terrasse von H2Optimal . Dann zog ich einmal um jede Etage. Hinter mir rissen die bodentiefen Glasscheiben aus den Verankerungen. Tausende Bögen Papier flogen durch die Luft wie Flugblätter. Im Archiv half ich ein wenig nach, jagte einmal durch die Aktenregale und wirbelte alles auf. Ich wollte das Archiv eigentlich in Brand stecken, aber das Papier in die Stratosphäre flattern zu sehen und dann am besten gleich ins All, war befriedigender. Die Flügeltür des Büros von Gregor sprang knallend auf, als ich mit meinem Atem dagegen hauchte. Gregors SekretärinFrau Meyersaß brav am Empfang. Der Wirbel, den ich um mich verursachte, zerzauste ihr Haar. Sie hielt sich an ihrem Schreibtisch fest und starrte auf die Flügeltür. Schade, dass sie nicht ahnen konnte, dass ich es mal wieder war, die sich unerlaubt Zutritt zum Heiligtum ihres Chefs verschaffte.
    Ich fand mich im Konferenzraum wieder und sah vor mir, wie Gregor diese Asiatin begrabscht hatte. Mir wurde übel vor Wut. Ich musste nichts planen und mich kein bisschen konzentrieren. Die Flammen kamen von allein. Die Auslegware brannte im Handumdrehen und der protzige Mahagonischreibtisch auch. Die Rauchmelder schlugen Alarm. Dann fing es an zu nieseln. Sogar eine Sprenkel-Anlage gab es. Das hatte bei einer Firma, die mit Wasser zu tun hatte, sogar seine Logik. Dann konnte es ruhig auch doller regnen. Ich sorgte dafür, dass ein Platzregen in den Büros niederging. Patschnasse Büroschnepfen kreischten und rannten durch die Gegend, drängten sich Richtung Fahrstuhl, obwohl man Fahrstühle in so einer Situation nicht mehr benutzen sollte. Ich wandte mich mit Genugtuung ab, warf die Teile des Konferenztisches durcheinander, bis sie ein einziger Trümmerhaufen waren und verließ diesen Ort des Betruges. Ich war noch nicht fertig. Mein Hauptwerk hatte ich noch vor mir.
    Die ersten Feuerwehrleute trafen ein. Sollten sie übernehmen. Ich rauschte davon. Hoch über die Dächer von Berlin, in Richtung Osten. Ich würde nie wieder eine U-Bahn brauchen. Ich war frei und mächtig. Ich konnte tun und lassen, was ich wollte. Der Rat würde mir auf den Spuren sein, aber er hinkte immer einen Schritt hinterher.
    Es dauerte nur ein paar Minuten. Dann kam das glänzende Rohrgebilde der Wasseraufbereitungsanlage von H2Optimal in Sicht. Schade um das futuristische Gebäude. Es hatte nur eine kurze Zeit geglänzt.
    Erst wollte ich mich auf den Wald aus Rohren stürzen und alles wahllos zerkleinern, wie ich es bisher getan hatte. Doch dann kam mir eine andere Idee.
    Ich würde hinein spazieren. Ganz normal. Als die Tochter von Gregor Wende. Die ich in Wirklichkeit nicht war. Die Ohnmacht kochte in mir, bitter wie Galle. Doch wenn ich meinen Rachefeldzug beendet hatte, würde ich frei davon sein.
    Ich ließ mich vor dem Eingang nieder. Ich hatte meinen Spaß daran, alle Blätter, die im Herbst auf den Boden gesegelt waren und noch immer zu Haufen zusammen gefegt herumlagen, wieder auf die Bäume zu schicken.
    Ein junger Typ, wahrscheinlich ein Assistent oder Student, rannte an mir vorbei, als ich langsam meine Gestalt wiederfand. Erst nahm er keine Notiz von mir. Dann signalisierte sein Gehirn, dass da was war. Er hatte die Kopfhörer

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