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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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eines ipods in den Ohren, drehte sich um, schnappte meine Hand und riss mich mit sich in die Vorhalle.
    „Komm, Mensch. Hier draußen ist’s lebensgefährlich. Wir haben Windstärke 10. Das ist fast ein Orkan!“
    Er starrte ungläubig zu den Bäumen hoch, die wieder voller Blätter waren, allerdings dunkelbraun verwelkter, beschloss aber, das nicht zu verarbeiten und musterte mich.
    „Bist du nicht …?“
    Ich lächelte. Meine Gelassenheit schien ihn ziemlich zu irritieren. Vielleicht auch mein Äußeres. Ganz sicher auch die Gelegenheit, ein hübsches Mädchen anzubaggern.
    „Los, ich weiß einen sicheren Raum unten im Keller. Da kann uns nichts passieren.“ Er wollte mich schon wieder an die Hand nehmen, aber ich entzog sie ihm.
    „Wenn du sicher sein willst, dann verlasse dieses Gebäude, so schnell du kannst“, sagte ich in aller Ruhe und ließ ein bisschen Putz von der Decke rieseln, genau über seinem Kopf.
    „Wir müssen hier raus!“, rief er entsetzt, ließ mich stehen und rannte aus der Vorhalle. Ich wandte mich von ihm ab und stolzierte in das Innere des Prachtbaus.
    Ich ließ es mit einem leisen Beben beginnen, während ich auf dem Weg in die Schaltzentrale war, von wo aus die ganze Anlage überwacht wurde. Das würde das erste, nennenswerte Erdbeben in der Geschichte von Berlin werden.
    Bürotüren öffneten sich links und rechts wie von Geisterhand. Die Leute stellten sich unter Türrahmen oder flüchteten durch ihre Terrassentüren nach draußen. Von überall waren aufgeregte Stimmen zu hören.
    „Erdbeben … mein Gott, hier fliegt irgendwas in die Luft ... Raus hier! ... Schnell! … Wo ist meine Handtasche? … in den Keller!“
    Ich ließ ihnen etwas Zeit. Das war nur fair.
    Das Beben fühlte sich gut an unter meinen Füßen. Mächtig. Gregor war in meiner Vorstellung nur noch ein kleines, hilfloses Männchen in meiner riesigen Faust.
    „Schluss mit der Angeberei!“, zischte ich vor mich hin, als hockte er tatsächlich in der Kuhle meines Handtellers und könnte mich hören.
    Da, wo ich ging, brachen links und rechts in den Büros Aktenschränke in sich zusammen. Ich fühlte mich wie eine Superheldin aus einem Blockbuster. Das Element Erde hatte ich definitiv im Griff. Es gehorchte mir aufs Wort. Auch hier. Und mit feinen Nuancen. Ich spielte ein bisschen damit herum. Ich ließ das Erdbeben aufhören ... und wieder anfangen. Was sollte ich überhaupt in der Schaltzentrale? Ich warf einen Blick auf die Rohre draußen, die auf der linken Seite mit sauberem Stadtwasser aus dem Boden wuchsen, während rechterhand die großen Becken mit dem verschmutzten Wasser ruhten, und machte kurzen Prozess.
    Der Asphalt riss auf und türmte sich mit seinen schroffen Kanten gegeneinander, als wäre in seinem Innern eine Bombe geplatzt. Erdbrocken und Steine flogen umher. Die Rohre barsten. Riesige Teile davon wirbelten durch die Luft. Die Becken mit dem Schmutzwasser schwappten über wie riesige Badewannen. Das Wasser umspülte das Hauptgebäude. Der Wasserpegel stieg in Bruchteilen von Sekunden. Sauberes Wasser, das in mächtigen Fontänen aus den kaputten Rohren schoss, mischte sich wieder mit der Brühe aus den Becken. Sollte der ganze Laden in seinem Dreckswasser ersaufen.
    Überall tönte jetzt die Alarmanlage. Ich trat eine Fluchttür nach Draußen auf, als wäre sie aus Lego. Ein dicker Büroangestellter stand mit offenem Mund neben mir. Er hatte versucht, das Schloss zu öffnen.
    „Hier lang!“, schlug er mir vor. Aber ehe er kapieren konnte, wo ich abgeblieben war, kletterte ich über seinem Glatzkopf bereits eine Feuerleiter hoch. Ich wollte das Ganze von oben sehen. Das Machwerk meines Vaters ging unter wie die Titanic. Ich wartete auf das große, befreiende Gefühl der Genugtuung, aber es wollte sich nicht recht einstellen. Irgendwas Sperriges, Schweres saß weiterhin in mir fest und verstopfte alle Kanäle. Plötzlich hörte ich meinen Namen. Mehrmals und laut. Die Stimmte kannte ich. Ich sah mich um, versuchte herauszufinden, wo sie herkam. Das konnte nicht sein! Es war die von Tim.
    Ich traute meinen Augen nicht. Er kletterte hinter mir die Feuerleiter hoch und trug einen Taucheranzug. Ein schweres Teil der Rohrkonstruktion flog mit aller Wucht gegen die Sprossen, die Tim vor Sekunden noch erklommen hatte. Schockiert schaute ich auf das Schauspiel. Tim war in Lebensgefahr. Ich musste das Inferno beruhigen. Ich musste mich irgendwie beruhigen. Ich eilte zu Tim, streckte ihm meine Hand

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