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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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Dann brausten wir los, holperten über das Kopfsteinpflaster. Ich saß eng an Tims Rücken geschmiegt und flog mit ihm durch die Stadt. Ich konnte es kaum glauben. Wären die Umstände nicht so schrecklich, wäre alles traumhaft schön gewesen. Andererseits würde ich jetzt hier nicht sitzen, wenn die Umstände nicht schrecklich wären.
     
    Als wir vor seiner Zeitungsredaktion Halt machen, bekam ich kurz einen Schreck. Da wollte ich nicht noch mal hin. Und als könnte er schon wieder meine Gedanken lesen, sagte Tim:
    „Mein Vater und ich wohnen hier. Im Hinterhaus, ganz oben. Beate hat uns die Wohnung besorgt. Sie kennt meinen Vater schon länger ... Und ich bekam dadurch gleich einen kleinen Job, um was dazu zu verdienen.“
    Ach so war das, was war ich nur für ein Idiot. Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen und Tim kapierte, dass Beate-Beauty mein Hauptproblem gewesen war.
    „… Du brauchst erst mal was Trocknes zum anziehen …“, erklärte er, nahm mich an die Hand und zog mich die Treppen hinauf. In der obersten Etage angekommen, führte mich Tim in eine kleine, freundliche Wohnung, die ganz und gar nicht nach erwartetem Männerhaushalt aussah. Die nackten Wände waren weiß gestrichen, und überall gab es helle Dielen. In der Küche stand ein gemütliches Sofa, die Fenster hatten bunte Vorhänge, Überall waren Bücherregale eingebaut, wo immer Platz dafür war und auf dem Tisch blühte sogar ein Strauß Blumen. Aber am meisten beeindruckte mich Tims Zimmer. Ein riesiges Aquarium trennte seine große gemütliche Schlafecke von seinem Schreibtisch, der mit Büchern überladen war. Darin schwamm ein Fisch, der aussah wie ein winziger Hai. Es war tatsächlich ein Hai, die kleinste Art, die es auf der Welt gab, erklärte mir Tim. Ich bewunderte seine Taucherausrüstung und er schwärmte mir von Asien, dem Roten Meer und Australien vor, aber am liebsten würde er mal die Azoren besuchen, um dort zu tauchen. Ich gestand ihm, dass ich ein Angsthase war, was Wasser betraf. Er machte sich deswegen keine Sorgen. Er wollte mir das Schnorcheln beibringen und wenn ich erst einmal die bunten Fische im Meer gesehen hatte, würde ich nicht mehr raus wollen aus dem Wasser. Da war er sich sicher. Ich strahlte, aber nicht wegen der Aussicht auf viele Stunden im ungeliebten Element, sondern weil Tim bereits Zukunftspläne für uns ausheckte. An der Wand hingen wunderschöne Fotographien von Landschaften, die alle etwas verklärt Magisches verströmten.
    „Warst du da auch schon überall?“, fragte ich.
    „Das sind Aufnahmen vom Jakobsweg in Spanien. Hast du davon schon gehört?“ Ich schüttelte den Kopf und Tim erzählte mir von einer sechswöchigen Wandertour auf einem alten 800 km langen Pilgerpfad von Südfrankreich bis zu einem Ort namens Santiago de Compostela im Nordwesten Spaniens, die er mit seinem Vater in den letzten Sommerferien unternommen hatte. Und von einem Autor namens Paulo Coelho, dessen Bücher es waren, die seinen Schreibtisch bedeckten. Seine Augen leuchteten, als er von dessen mystischen Erfahrungen auf dem Jakobsweg berichtete und von Engeln, die Coelho in der Wüste getroffen hatte. Ich las von Weitem weitere Buchtitel über Meditation, Schamanismus und höheres Bewusstsein. Mir fiel eine kleine Buddha-Figur auf dem Fenstersims auf, in Gesellschaft mit einer christlichen Heiligenfigur, die bestimmt ein Souvenir von dieser Reise war, und einem Pharao.
    „Hast du denn auch schon mal was Mystisches erlebt?“, wollte ich wissen.
    „Ich weiß nicht, vielleicht … auf jeden Fall bin ich sicher, dass es mehr gibt als die Naturgesetze. Mein Vater hat schon einiges erlebt, und ich suche danach.“
    „Wonach? Nach Engeln?“ Es sollte ein bisschen wie ein Scherz klingen, aber Tim blieb ganz ernst.
    „Nach Bewusstseinserweiterung … meinetwegen auch Engel … einfach, wie soll ich sagen, nach der Welt hinter der Welt.“
    Ich sah Tim mit großen Augen an. Er war nicht nur klug, reif, schön, er war einfach völlig anders als andere Jungs in seinem Alter. Er wollte auch kein journalistischer Wichtigmacher werden, diese Rolle war auf einmal nebensächlich im Verhältnis zu dem, was ich jetzt über ihn erfuhr.
    „Aber jetzt musst du sofort aus deinen durchnässten Klamotten raus. Sonst wirst du krank.“
    Er ging zu der Kommode, die unter den Fotografien stand, holte ein Handtuch, ein apfelgrünes Shirt und eine helle Jeans heraus und gab mir dazu einen braunen Ledergürtel.
    „Damit wird’s

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