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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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auflistete und in die sie die Werte einzutragen hatte. Dann lief er mit großen Schritten über den Rasen davon. Noch bevor er um die Ecke der Turnhalle verschwand, hatte er ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche gezogen, fingerte eine Zigarette heraus und zündete sie an. Heute war er so mies drauf, dass er sich nicht mal darum scherte, dabei entdeckt zu werden.
    Falkes Weisung ignorierend, stellte ich mich hinten an, während Luisa für die ersten zwei Läuferinnen, die sich bereits in Startposition begeben hatten, die Hand hob und Jemand an der Startlinie den Startpfiff gab.
    Tim stand unmittelbar vor mir und flüsterte ein leises guten Morgen. „Morgen“ gab ich zurück, ohne ihn anzusehen. Zum ersten Mal nahm ich seinen Duft wahr. Er roch unerhört gut und löste die unbestimmte Sehnsucht in mir aus, einfach in seinen Armen zu sein. Er wirkte irgendwie nervös, beobachtete die Leute, die losliefen, aber ich merkte, dass ihn das nicht wirklich interessierte. Mit seinen Gedanken war er woanders. Ich war mir fast sicher, dass er nach Worten suchte, ein Gespräch mit mir anzufangen. Mir brannte natürlich nach wie vor die Frage nach Beate auf der Seele, aber ich konnte das nicht einfach fragen, es ging nicht. Irgendwie waren wir in einer Sackgasse. Wir hatten ein kleines Flämmchen der Freundschaft angezündet, aber es war durch ungünstige Umstände sofort wieder ausgegangen.
    „Der Regen nervt“, sagte er, aber richtete die Worte nicht direkt an mich. Ich reagierte also auch nicht direkt darauf, wischte mir aber ein paar nasse Strähnen aus dem Gesicht. Tim streckte seine Arme nach oben. Dabei wehte wieder sein Duft zu mir herüber und ich sah uns plötzlich Arm in Arm in einer mit Blüten übersäten Wiese am Meer liegen. Das komplette Gegenprogramm zu der Kälte, Nässe und Trübheit, in der wir uns gerade befanden. Ich fühlte mich verloren, als wäre das alles das Ende einer Welt, die gar nicht richtig angefangen hatte zu existieren. Dann standen nur noch vier Leute hinter den zwei Startblöcken. Tim trat einen Schritt zurück, so dass sich Nummer Vier und Drei startklar machten. Luisa pfiff und ich wusste nicht, was ich davon halten sollte, mit Tim zu laufen. Wollte er mich schon wieder ärgern? Obwohl ich ihn eigentlich umarmen wollte, machte ich eine spitze Bemerkung:
    „Du meinst, manchmal muss man sich leichte Gewinne gönnen, um sich besser zu fühlen?“
    Tim ging in die Hocke und positionierte seine Füße in den Startblock.
    „Wenn du schon keine Lust mehr hast, mit mir zu reden, dann will ich wenigstens mit dir laufen“, sagte er, ohne mich dabei anzusehen. Mein Herz rutschte in die Hose. Ich unterstellte ihm niedere Absichten und er sagte sowas. Tim hatte soeben unverhüllt zugegeben, dass er mit mir „zu tun“ haben wollte. Dass hieß, es war jetzt keine Spekulation mehr meinerseits. Ich konnte es kaum glauben. Mein Herz sprang wieder an seinen angestammten Platz und raste, als hätte ich die hundert Meter schon hinter mir. Und dann kam es noch heftiger.
    Luisa hob hinten die Hand, damit wir uns startklar machten. Dann ertönte der Pfiff, aber ich kam Sekundenbruchteile zu spät los, weil Tim kurz davor meine Frage beantwortete, die ich mir nicht traute zu stellen:
    „Falls du übrigens glaubst, so eine wie Beate wäre meine Freundin, hast du von mir bisher nur sehr wenig begriffen.“
    Ich war baff … und rannte los … und dachte, ich müsste mitten auf der Strecke explodieren vor Freude. Und dann begann ich Tim einzuholen. Was sollte das denn bedeuten? Hatte sich sein Geständnis wie Bleikugeln an seine Fesseln gelegt? Oder ließ es mich augenblicklich über mich selber hinauswachsen? Oder wollte er mich, ganz Gentleman, gewinnen lassen? Das wär ja peinlich idiotisch. Ich holte ihn spielend leicht ein, seinen Duft in der Nase, den er wie einen Schweif hinter sich herzog. Als ich ihn überholte, merkte ich jedoch, dass er tatsächlich kämpfte und gab, was er konnte. Ich ließ Tim einfach hinter mir zurück, obwohl er der beste Läufer unter den Jungs war, was wahrscheinlich an seiner Größe und seiner gut trainierten Taucherlunge lag. Luisa stoppte und hätte fast vergessen, auch Tim zu stoppen, so verdattert war sie, als sie mein Ergebnis begutachtete. Sie sah mich an und ich merkte, wie es hinter ihrer Stirn arbeitete.
    „Diese Frau, immer für eine Überraschung gut!“, keuchte Tim, völlig außer Atem, während Luisa die Zahlen eintrug. Tim war nach wie vor der schnellste

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