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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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als wäre ich einer Ohnmacht nahe. Gegen die Angst, die sich jetzt meiner bemächtigte, waren alle früheren Ängste Spielzeugängste gewesen. Atropas Beschreibung der Veränderungen, die mit mir vorgehen würden und die ich bisher nicht in mein Bewusstsein gelassen hatte, waren beunruhigend, vor allem, weil sie von allem zu wissen schien. Mir fiel die ausgequetschte Zahnpastatube ein, das Plätschern in den Balkonkübeln, ich hatte die Adresse auf dem Plakat des Berlin-Agenten genau lesen können und einen massiven Spiegel in tausend Stück zerlegt … und dann das Gespräch meiner Eltern, etwas würde „wie damals“ und sie hatten Angst, zumindest meine Mutter. Am schlimmsten aber war die Erinnerung an die Schatten, das Gefühl, beobachtet zu werden. TROTZDEM, da war auch Luisa und sie hatte alles wieder auf den Boden der Tatsachen gestellt und ihre Version war genauso plausibel, beziehungsweise sie war ÜBERHAUPT plausibel. Luisa hatte mir dringend geraten, nicht mehr mit Atropa zu chatten bis ich wieder stabil sei. Ich hatte gedacht, es wieder zu sein, aber das war wohl ein Irrtum.
     
    Atropa: kira? bitte ANTWORTE mir!!!
     
    Meine Finger schwebten über der Tastatur. Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Dann klickte ich einfach die Seite weg, klappte hastig das Laptop zusammen, damit es sofort ausging und versuchte mit zitternden Händen, Luisa anzurufen. Luisa nahm nicht mehr ab. Es war ja auch schon nach Mitternacht. In der Holzverkleidung am Kopfende meines Bettes knackte es. Erschrocken fuhr ich hoch. Hastig schnappte ich mir meine Decke, schlich hinunter ins Wohnzimmer und legte mich dort schlafen. Aus dem Schlafzimmer fiel noch ein Spalt Licht in den Flur. Das beruhigte mich ungemein.
    ***
    Ich verbrachte eine sehr unruhige Nacht und wälzte mich durch diffuse Träume, die mir bei jedem Wachwerden wieder wegrutschten. Als der Wecker endlich klingelte, war ich froh. Draußen nieselte es. Der kalte graue Tag vermittelte ganz normale Realität. Die Gedanken an den Chat mit Atropa verblassten langsam. Die ersten zwei Stunden Sport waren jetzt genau das Richtige.
    Allerdings hatte unser Sportlehrer Herr Falke schlechte Laune und ließ das wie immer an seinen Schülern aus. Wir sollten trotz des Wetters raus und ein paar Runden auf dem Sportplatz drehen. Danach setzte er Leistungskontrolle im Sprinten auf 100 Metern an. Luisa und ich beschlossen, dass uns nach einer Runde warm war und hockten uns auf das nasse Geländer am Rand. Nach und nach gesellten sich auch die anderen zu uns, während Herr Falke die Startvorrichtungen für den Sprint montierte.
    Für Luisa war Atropa immer noch eine Rollenspielerin, aber vielleicht eine, die ernsthafte psychische Probleme hatte. Als ich ihr die seltsamen Dinge aufzählte, die mit mir selbst passierten, hatte sie ganz normale Erklärungen parat: eine Übersensibilität der Sinne ist an Wendepunkten des eigenen Lebens oder wenn man Entwicklungssprünge macht, keine Seltenheit. Dass mit dem Spiegel und der Zahnpastatube fand sie nicht sehr überzeugend. Und mit meinen Eltern war ganz einfach: ich musste sie nach „Damals“ fragen. Dieses Phänomen, dass Menschen immer wieder zum Spekulieren neigten, statt einfach mal nachzufragen, verstand sie am wenigsten. Andererseits, überlegte sie, wäre das nicht so, wären sehr sehr viele Psychologen arbeitslos. Auf die angeblichen „Schattenwesen“ wollte sie nicht noch mal eingehen, das hatten wir doch schließlich geklärt. Nur mit den Fressattacken machte sie sich etwas Sorgen. Sie hatte Angst, dass ich eine Essstörung entwickeln könnte. Zu meinem unbefriedigten Lebenshunger und den Problemen mit meinen Eltern könnte das passen.
    Plötzlich baute sich Herr Falke vor Luisa auf und brüllte sie an:
    „Mir reicht’s mit dem ewigen Gequatsche. Was hab ich eben gesagt?“
    Mist, wir hatten gar nicht mitbekommen, dass die Anderen sich bereits hinter der Startlinie aufgebaut hatten, und saßen immer noch auf dem Geländer. Und wir hatten auch kein bisschen zugehört.
    „So, Luisa, das gibt im Mündlichen erst mal eine Sechs! Damit du es wieder gut machen kannst, stellst du dich da vorne hin und stoppst die Zeit!“ Luisa war perplex, ne sechs in Sport, das war ihr in ihrer ganzen Schullaufbahn noch nicht passiert und natürlich war es schreiend ungerecht.
    „Und du, Kira, fängst an!“
    Er drückte Luisa Trillerpfeife, zwei Stoppuhren und einen Klemmblock mit einer Tabelle in die Hand, die die Namen aller Schüler

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