Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
Vom Netzwerk:
nicht so, wie du denkst. Aber jetzt komm erst mal, du musst dich auf mich stützen. Du schaffst das.“
    Plötzlich fielen mir siedend heiß meine Sachen ein.
    „Mein Rucksack! Ich hab meinen Rucksack verloren!“
    „Oh, na den werden wir wohl nicht mehr wiederfinden.“
    Ich sah sie entgeistert an.
    „Aber… da ist alles drin, mein Pass, meine Kreditkarte …!“
    Das Engel-Mädchen lächelte nur nachsichtig.
    „Sowas brauchst du hier alles nicht, keine Sorge.“
    Sie half mir meine Beine anzuwinkeln. Dann griff sie mir unter die Achseln, schob mich mühsam an dem glatten Baumstamm hoch und legte meinen rechten Arm über ihre Schulter.
    „Okay, einen Schritt vor den anderen.“
    Ich gehorchte und strengte mich an. Es funktionierte sogar, zwar langsam, aber es ging. Dafür, dass sie so klein und zierlich war, besaß sie erstaunliche Kräfte. Okay, sie war ja auch … ein Engel.
    Wir gingen weg von dem See, was mich sehr beruhigte, und folgten einem schmalen Pfad durch die Bäume. Alles war wunderschön, von Blüten verschneit und warm. Aus dem Blütenmeer erhoben sich riesige Bäume mit tiefschwarzen Stämmen und einem silbrigen Blätterdach. Dazwischen standen Büsche mit weißem Geäst und kaminroten Blättern, die kleine Tupfer in der gleißenden Pracht ergaben. Viele Pflanzen hatten tatsächlich nicht nur weiße Blüten, sondern auch weiße oder elfenbeinfarbene Blätter. Es gab aber auch ganz normale grünblättrige Büsche und Bäume. Das feine Orchester der fallenden Blätter klang hier tiefer und voller. Es war tatsächlich so, dass sie einen kleinen Ton erzeugten, sobald sie auf die Erde fielen. Der Wald duftete wie ein normaler Wald, nur viel intensiver. Optisch wirkte er wie die übersteigerte Version eines herkömmlichen Mischwaldes, in den sich ein paar exotische Dschungelgewächse verirrt hatten.
    Mit jedem Schritt fühlte ich mich besser. Mein Kreislauf kam wieder in Gang. Ich löste meinen Arm von meiner Begleiterin, blieb stehen und sah sie unverwandt an. Sie musste doch die Frage sehen, die mich daran hinderte, weiterzugehen.
    „Wo … sind … wir???“
    „Das wirst du gleich alles erfahren … komm“ Sie ging drei Schritte, aber ich blieb stehen und fragte weiter.
    „Wer bist du?“
    Sie seufzte.
    „Also gut, ich heiße Neve. Aber lass uns bitte weiter laufen. Dein Fall ist nämlich sehr seltsam …“
    „Ja, darin braucht mich keiner mehr zu überzeugen“, sagte ich mehr zu mir selbst als zu Neve, während sie mich unterhakte und mit sich zog.
    „Wo gehen wir hin?“ Ich ließ nicht locker, um im Zweifelsfall rechtzeitig die Flucht ergreifen zu können.
    „Ich bringe dich zur Akademie. Und flüchten kannst du nicht von hier, das ist unmöglich.“
    Ich erschrak. Sie konnte meine Gedanken lesen! Natürlich, Engel konnten sowas. Oh Gott, sie war wirklich ein Engel. Und dass Flucht unmöglich war, glaubte ich ihr sofort. Ihr Tonfall war mehr als überzeugend. Ich versuchte meine aufsteigende Panik zu unterdrücken und ruhig zu atmen.
    „Du brauchst keine Angst zu haben“, Neve berührte sanft meine Schulter, aber verringerte mein Unwohlsein dadurch nicht, dass sie wie selbstverständlich auf meine Gedanken und Gefühle einging.
    „Weißt du, das Unerklärliche ist, wie bist du hierher geraten, ohne tot zu sein?! Die, die berufen sind, werden trocken und unversehrt angespült, meistens jedenfalls. Manchmal sind sie auch verletzt, aber sie sind nie durchnässt. Und Menschen, die sich in den Wasserdurchgängen verirren, hier aber nicht hergehören, kommen immer als aufgequollene Wasserleichen an. Aber du, du bist patschnass und lebst. Das müssen wir klären. Und deshalb bringe ich dich zum Rat.“
    Ich nickte, als würde ich verstehen. Dabei hatte ich noch nie so wenig kapiert in meinem Leben wie in diesem Moment. Was für ein Rat? Was für eine Akademie? Was für Wasserdurchgänge? Ich versuchte, irgendwelche Zusammenhänge herzustellen, aber mein Kopf streikte.
    „Kira“, sagte ich und blieb erneut stehen. Neve sah mich fragend an.
    „Also, ich heiße Kira.“ Ich hatte das Bedürfnis, meinen Namen zu nennen. Viel mehr, um mich meiner selbst zu vergewissern, als ihn Neve zu verraten. Sie lächelte und umarmte mich kurz. Ihre Umarmung hatte was sehr Tröstliches. Ich wollte sie gar nicht mehr loslassen. Aber Neve drängte weiter:
    „Komm, Kira! Du brauchst trockne Sachen. Sonst holst du dir doch noch den Tod.“
    Wir setzten uns wieder in Bewegung.
    ***
    Nach einigen Schritten

Weitere Kostenlose Bücher