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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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laut. Du wirbelst herum, kannst aber nichts sehen, dich selbst nicht und auch nichts um dich herum. Und gerade, als du dich einstellst drauf, gibt es sowas wie einen Strömungsabriss, du knallst auf harten Waldboden und dir tun mit einem Schlag alle Knochen weh. Du kannst dich kein bisschen rühren. Das Brausen ist weg, dafür hörst du jetzt Kichern von allen Seiten, als würden tausend alberne Weiber um dich rumstehen. Sind aber keine Weiber im herkömmlichen Sinne, sondern die Sylphen im Wirbel, der auf der Lichtung im magischen Wald steht. Naja, den Rest kennt ihr. Irgendein Engel sammelt dich auf und bringt dich hierher.“
    Alle, inklusive ich, sahen Kay gespannt an. Es war die erste Geschichte, die ich hörte. Und sie tatsächlich nicht verlockender als meine. Ich bemerkte die bewegten Gesichter. Jeder erinnerte sich bei Kays Bericht an sein eigenes Erlebnis. Kay unterbrach die kurze Stille, die entstanden war und stand abrupt auf.
     „So, und jetzt muss ich los.“
    „Danke“, sagte ich schnell.
    „Bitte. Kannste gern geschenkt haben“, antwortete er. Ich erschrak über seinen aggressiven Unterton. Wie es aussah, war ich nicht die einzige, die nicht rundum glücklich damit war, hier gelandet zu sein. Oder fragte man nicht einfach so unbekümmert nach diesem Erlebnis? Hatte mich meine Unsicherheit auf die falsche Bahn gebracht? Schließlich war es auch für mich ein Trauma.
    „Ist es denn immer so ... schrecklich?“, fragte ich in die Runde.
    Cynthia ergriff das Wort. Mit ihrer kräftigen Statur und der ruhigen tiefen Stimme wirkte sie wie der Kumpel-Typ auf mich, auf den man sich immer verlassen konnte.
    „Ja … ist es. Manche können lange nicht drüber sprechen.“
    „Oh … das heißt, ich hab einen Fehler gemacht.“
    „Nein, hast du nicht. Kay braucht nämlich jemanden, der genauso mit ihm umspringt, wie du. Ich denke, du hast ihm einen Gefallen getan!“ Cynthia grinste, obwohl ich nicht ganz schlau wurde aus ihren Worten.
    „Es ist immer wie ein unfreiwillig begangener Selbstmord. Man tut etwas lebensgefährliches, obwohl man nicht tot sein will. Man will nicht sterben, aber man tut es. Es ist wie ein Zwang“, erklärte Dave.
    „Wasser ertrinkt, Erde wird erschlagen, Luft erstickt, Feuerverbrennt und Ätherstürzt sich in die Tiefe, getrieben von dem Wunsch zu fliegen“, fügte Cynthia hinzu.
    „Das ist alles … schrecklich.“ Ich konnte nicht verhindern, dass mir Tränen aus den Augen traten. Wieder dieses Überforderungsgefühl und schnellstmöglich einfach nur nach Hause zu wollen.
    Cynthia streckte ihren Arm über den Tisch aus und legte ihre Hand auf meine.
    „Wird schon. Du bist gerade erst gekommen. Und schau uns an. Wir sind inzwischen mindestens vier Wochen hier – dabei warf sie einen Blick zu Marie – und es geht uns gut.“
    „Du bist sozusagen noch auf der Überfahrt, aber du kommst an.“ Zum ersten Mal sagte Jonas etwas. Er hatte eine sehr leise sanfte Stimme und sah mit seiner kleinen runden Brille und dem frisurlosen braunen Haar aus wie ein Professor.
    „Hör auf die Weisheit von unserm Professorchen. Er liegt immer richtig“, gab Marie dazu.
    Ich lächelte. Ich war dankbar. Sie waren alle so in Ordnung. Leute wie Leo oder Kay schienen in der Minderheit. Vor allem war ich wirklich nicht allein mit meinem neuen Leben. Ihnen allen erging es genauso.
    „Du kommst gerade von Pio, stimmt’s?!“, fragte Marie nach. Wir plauderten noch ein bisschen über unsere Abschiedsbriefe und die Antworten, die die anderen bereits erhalten hatten. Es gab wütende, traurige und verständnisvolle Eltern. Alle waren aber erst mal erleichtert, ein Lebenszeichen zu erhalten. Dave und Marie waren aus dem ersten Studienjahr gerissen worden, Jonas befand sich schon im Hauptstudium. Cynthia hatte gerade ein Europäisches Jahr gemacht und Fabian mit den wilden roten Locken, der aber dem Element Wasser angehörte, erging es wie mir: Ihn hatte es Anfang der zwölften Klasse weggerissen. Fabian schien es nichts auszumachen, von seiner Reise in die magische Welt zu erzählen. Er kannte den Durchgang, durch den ich gekommen war, die eiserne Tür und sogar den Penner davor. Er hatte zuerst immerzu von diesem Ort geträumt, dann sei er auf die Möglichkeit einer geführten Besichtigung der Katakomben unter dem Humboldthain gestoßen, hatte daran teilgenommen und kurz danach einen Ausflug auf eigene Faust gemacht. Das Boot hatte er nicht bemerkt. Er war einfach in den klaren See gesprungen,

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