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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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weil ihm auf einmal so fürchterlich heiß wurde und das Wasser wie die einzige Rettung erschien. Er berichtete von zwei wunderschönen Undinen, die ihn immer tiefer zogen und nicht mehr losließen. Dann war er endlich bewusstlos und später von Neve gefunden worden, so wie ich. Am Anfang hatte er ebenfalls bei ihr gewohnt, in dem Zimmer, was jetzt meins war. Für ihn war es kein Problem, mal eine Pause von der richtigen Welt zu haben, wie er sich ausdrückte. Er hatte dort schrecklichen Liebeskummer und hoffte als neuer Fabian mit ungeahnten Kräften und Fähigkeiten, das Mädchen seines Herzens bei seiner Rückkehr doch noch zu erobern. Das war es, was ihn antrieb. Er hatte ihr eine Nachricht von hier geschickt, aber sie hatte natürlich nicht geantwortet.
     
    Als sich die Runde auflöste, war es bereits dunkel draußen. Alle umarmten mich, als wäre ich längst eine alte Freundin. Ich war gerührt. Es war das erste Mal, dass ich zu einer Art Clique gehörte und nicht nur zu mir selbst oder zu Luisa.
    ***
    Ich spazierte über die kleinen dunklen Wege zu dem Haus von Neve. Der Himmel über dem Tal war nicht schwarz, sondern besaß ein tiefes Indigoblau und war übersät mit unzähligen glitzernden Sternen. Auch hier tanzten lauter weiße Blüten durch die Luft und erhellten mit ihrem Licht die Nacht. Sie machten den Eindruck, als würden die Sterne vom Himmel fallen. In den kleinen Häusern blinkten überall Lichter. Die Luft war wohlig lau wie an einem Sommerabend in Orvieto. Mir fiel mein Miniaturdom ein und ich überlegte, ihn aufzusuchen. Doch ich hatte wenig Lust, durch den düsteren Wald zu tappen. Von den Wipfeln der Bäume am Waldrand kam ein leises Rauschen herüber. Es war etwas windig. Ob gerade jemand mit seinem Element experimentierte?
    Plötzlich spürte ich einen Luftzug nah an meinem Ohr. Ich fuhr herum und rief unwillkürlich: „Atropa?!“
    „Atropa? Wer ist Atropa?“, war die Antwort. Wie aus dem Nichts war Leonard neben mir aufgetaucht. Ich hatte überhaupt nicht gemerkt, wie er sich mir genähert hatte.
    „Verpiss dich!“, zischte ich und beschleunigte meine Schritte.
    Ich erschrak selbst über meine Wortwahl. So hatte ich noch nie mit Typen wie Leo geredet. Vielleicht war das sogar ziemlich unvernünftig auf einem dunklen Wegabschnitt, wo sich kein Haus in der Nähe befand. Leonard packte mich an der Schulter und brachte mich zum Stehen. Ich erschrak bis ins Mark und fühlte gleichzeitig einen heißen Stich in meiner Schulter. Sie qualmte. Er ließ sofort los und starrte auf seine verrußte Hand.
    „Sorry, ich … Das ist mir noch nie passiert … bleib stehen, bitte … nur einen Moment …“
    Sein freundlicher, fast flehender Tonfall irritierte mich völlig. Mein Sweatshirt hatte an der Schulter zwei kleine Brandlöcher. Leo klopfte seine Hand an seiner Lederjacke ab. Mit der anderen hielt er mir einen Stängel mit einer orangefarbenen Blüte hin. Sie sah aus wie eine Lampionblume. Er fixierte seinen Blick auf die Blüte. Eine kleine Flamme entzündete sich darin. Was kam jetzt? Ein böser Zauber? Ich wich zurück.
    „Für dich … Ich wollte mich nur entschuldigen wegen gestern. Ich war einfach zu bekifft“, erklärte er.
    Zaghaft nahm ich ihm die Lampionblume ab. Das kleine Flämmchen darin flackerte. Es sah wirklich hübsch aus. Ich war völlig durcheinander. Leo entschuldigte sich bei mir?! Er hatte den Blick gesenkt. Seine schwarzen Haare fielen ihm ins Gesicht. Die Lederjacke mit dem leicht zerschlissenen Muskelshirt darunter stand ihm. Er war gut einen Kopf größer als ich. Seine grünen Augen blitzten, als er mich wieder anschaute. Er lächelte verlegen und zeigte dabei Grübchen auf beiden Wangen. Ich musste an einen Manga-Helden denken oder an den traurigen Prinzen aus dem Film Das wandelnde Schloss . Leo sah echt gut aus. Sehr wahrscheinlich war er sich seiner Wirkung absolut bewusst. Sicher wäre es schlauer, ihm nicht zu verzeihen.
    „Okay, schon gut …“, versuchte ich möglichst gleichgültig zu sagen.
    „Deshalb brauchst du mich aber nicht gleich anzünden“, gab ich hinterher.
    „Ich?“, fragt er verwundert.
    „Bist du Feuer oder ich?“
    „Deine Schulter war extrem heiß, nicht meine Hand“, verteidigte er sich.
    Ich lief weiter. Leonard blieb neben mir. Ich dachte an Atropas Worte, das ich in Wirklichkeit Feuer und Wasser war, nicht Erde. Und ich dachte an Tim, dessen Bett ich in Brand gesetzt hatte. Ich konnte doch nicht immer anfangen zu qualmen oder

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