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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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die Küche. Ich mochte keine großen Runden fremder Leute, die ich alle auf einmal kennenlernen musste. Aber es ließ sich wohl nicht vermeiden. In der Küche war niemand. Die Suppe duftete köstlich. Ich füllte mir eine Schale ab und nahm reichlich frisches Baguette. Ich hatte immer noch viel mehr Hunger als früher, aber es fühlte sich nicht mehr so maßlos an. Jerome hatte neben sich einen Stuhl für mich freigehalten. Dafür war ich ihm dankbar und versuchte, ihn mit neuen Augen zu sehen, während ich auf die Gruppe zusteuerte. Ob er jemand sein konnte, der ein dunkles Geheimnis verbarg? Jerome arbeitete als Lehrer und Coach, sein Lächeln wirkte einladend und offen. Ich konnte mir das beim besten Willen nicht vorstellen. Ich setzte mich und wagte einen flüchtigen Blick in die Runde. Ich erkannte Cynthia wieder. Sie lächelte mir freundlich zu. Jerome nannte reihum alle Namen: Dave, Marie, Jonas, Cynthia, Kay und Fabian. Bei Kay schluckte ich. Das war der Freund von Leonard. Er warf mir einen etwas zu selbstbewussten Blick zu. Ich sah über ihn hinweg und konzentrierte mich auf die Person neben ihm. Fabian war ein kleiner, zierlicher Typ mit feuerroten Locken.
    „Alles Erde?“ Ich richtete meine Frage an Jerome.
    „Ja, außer Kay und Fabian. Fabian ist Wasser und Kay Luft. Wir werden im Unterricht nicht nur unter uns bleiben. Es gibt Lerneinheiten mit anderen Elementen zusammen, damit du herausfinden kannst, wo die Möglichkeiten und Grenzen deiner Fähigkeiten liegen.“
    Ich löffelte meine Suppe. Kay war Luft, und genau so würde ich ihn auch behandeln. Fabian sah kein bisschen aus wie Wasser. Am Äußeren konnte man ein Element also nicht ablesen. Marie, ein kleines Mädchen mit tiefblauen großen Augen, spitzer Nase und schwarzen glatten Haaren, beugte sich neugierig vor. Ihren Teller mit Essen hatte sie so gut wie noch nicht angerührt: „Und du bist durch den magischen See gekommen, obwohl du Element Erde bist?“
    Sie hatte eine piepsige Stimme und war ungefähr so alt wie ich.
    „Ja, ich hatte wohl Glück.“ Ich musste die Geschichte von meiner Chatfreundin erzählen, die wahrscheinlich dabei war, Element Wasser zu werden. Alle lauschten gespannt. Nur Kay schlürfte gemächlich seine Suppe und schien nur mit halbem Ohr zuzuhören. Trotzdem war er der erste, der reagierte:
    „Hierher durchkommen ist wohl nie ein Zuckerschlecken.“
    Was wollte er damit sagen? Dass meine Erfahrung trotz der besonderen Umstände nichts Besonderes war?
    „Wie war es bei dir?“, fragte ich ihn und versuchte ihn so selbstbewusst wie möglich anzusehen. Es funktionierte. Er schien überrascht, dass ich ihn so direkt fragte und atmete tief ein.
    „Nun, das ist kein Geheimnis…“, begann er und ich spürte, dass er seine Geschichte eigentlich nicht erzählen wollte, aber auch nicht klein beigeben wollte. Jerome unterbrach ihn.
    „Leute, ich muss weiter … Kira, Fabian und Marie morgen neun Uhr in der Eingangshalle, okay? Die anderen wissen, was sie zu tun haben.“ Jerome stand auf und nahm seinen Teller. Die anderen verabschiedeten sich von ihm. Er klopfte mir aufmunternd auf die Schulter und verschwand in der Küche. Ich drehte mich wieder zu Kay, der auch Anstalten machte, aufzustehen.
    „Kay?! Deine Geschichte … Du wolltest sie mir erzählen!“ Kay zog erstaunt eine Augenbraue hoch. Jetzt nur keine Unsicherheit zeigen. Ich staunte selber, woher ich plötzlich die Stärke nahm, mit ihm so umzuspringen. Marie grinste. Dave, mit einer Figur wie ein Schrank und großen blonden Locken kam mir zu Hilfe:
    „Ich kenn die Geschichte auch noch nicht.“
    Kay setzte sich wieder und räusperte sich:
    „Da gibt’s nicht viel zu erzählen. Bin ein bisschen rumgeklettert in den U-Bahn-Tunneln unterm Alex, so wie das alle Windelemente machen. Und dann hörst du das Brausen und es fängt an zu ziehen wie Hechtsuppe, der Tunnel vor dir wird hell, zwei riesige gelbe Augen rasen auf dich zu, aber du gehst nicht weg, obwohl du kein bisschen Lust auf Selbstmord hast, du presst dich an die Wand, der Zug brettert an dir vorüber, du kannst nicht mehr atmen, der Luftstrom ist zu schnell, um etwas davon anzuzapfen. Dann entfernt sich der Zug, aber das Brausen ist noch da, wird sogar stärker. Der entstandene Sog reißt dich mit, in einen Nebentunnel hinein, den du vorher nicht gesehen hast. Du prallst gegen Ecken und Wände, aber du spürst dabei nichts. Du kriegst nur keine Luft, denkst, so ist also der Tod, schmerzfrei und

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