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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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ich mich also gar nicht zu entschuldigen?!“ Ich machte gespielte Anstalten, sofort auf dem Absatz umzudrehen.
    „Doch, ist schon ganz nett.“
    Ich bliebe stehen, wo ich stand.
    „Hast du was zu trinken?“
    Leos linke Augenbraue zuckte unmerklich. Dann lächelte er. Ich hatte ihn mit meiner Forschheit überrascht. Ich fühlte mich bereits etwas besser.
    „Für besonders freundliche Gäste schon.“
    Er öffnete den Kühlschrank, ein großes, schwarzes, wuchtiges Ding … voller Bier.“
    „Trinkst du Bier?“
    „Warum nicht?!“
    Unser Dialog rangierte zwischen Spaß und Ernst. Ich konnte es nicht richtig einordnen. Meinte er es nur lustig oder war er gereizt?! Und ich? Ich war gereizt. Er hatte etwas an sich, was bei mir immer wieder Widerstand auslöste. Gleichzeitig machten diese kleinen Kämpfe auch Spaß. Gleichzeitig war ich verlegen.
    Leonard öffnete beide Flaschen Bier, indem er die Kronverschlüsse irgendwie gegeneinanderdrückte und reichte mir eine.
    „Komm, ich zeig dir mein Haus. Oder willst du es gar nicht sehen?!“
    „Es ist okay. Ich habe gerade nichts Besseres vor.“
    Klang ich albern? Versuchte ich, nur mit ihm mitzuhalten? Wollte ich cool sein, während er einfach mal cool war?! War er einfach nur höflich? Keine Ahnung.
    Eine kleine Treppe aus schwarzem Marmor führte nach oben und öffnete sich zu einem großen Raum. Er wirkte kalt, düster, geheimnisvoll und anziehend zugleich. Die Dachschrägen waren schwarz gestrichen, die Dielen aus dem gleichen Holz wie die Eingangstür. Ein tiefroter Schlaufenteppich lag darauf. Leonards Bett bestand aus einer schwarzen Matratze auf einem Podest. In den kleinen Dachfenstern brannten Lampionblumen und warfen lange Schatten. Die Bude war obercool und angeberisch, aber sie hatte ihre Wirkung.
    „Hast du dir das ausgesucht?“
    „Natürlich, wer sonst?!“
    „Sieht das bei dir Zuhause genauso aus?“
    „Bei mir zu Hause … pfff“, sagte er abfällig und seine Miene verdüsterte sich. „Das hier ist mein Zuhause.“
    Mir lag schon wieder ein „Sorry“ auf der Zunge, aber ich wollte mich nicht dauernd entschuldigen. Also sagte ich was Nettes.
    „Es gefällt mir.“
    „Setz dich …“, forderte er mich auf.
    Ich wusste nicht wo. Es gab nur das Bett. Ich wollte mich nicht mit Leo aufs Bett setzen. Ich drehte die Bierflasche in der Hand. Vielleicht sollte ich doch lieber wieder gehen.
    Leo setzte sich im Schneidersitz auf den roten Teppich und stellte das Bier neben sich. Ich war ein wenig beruhigt und setzte mich ihm gegenüber. Ich fragte mich, was ich hier machte. Ich war hergekommen, um mich kurz an der Tür zu entschuldigen. Ich wollte keinen Abend mit Leonard verbringen. Okay, ich würde das Bier trinken und in fünf Minuten gehen.
    „Du magst Lampionblumen …“, bemerkte ich. Mit sowas bekam man fünf Minuten schon irgendwie rum.
    „Ich mag sie. Schon als Kind fand ich sie toll … bei meinem Vater, als wir noch einen Garten hatten. Allerdings konnte man sie da nicht anzünden.“
    „Einen Garten … in Berlin?!“
    „Nein … in Bern.“
    „Bern? Du bist aus der Schweiz?“ Ich war ehrlich erstaunt.
    „Da geboren, aber seit zehn Jahren hier.“
    „Warum seid ihr dort weggezogen?“
    „Wir nicht. Meine Mutter und ich …“
    „Sie haben sich getrennt …“
    „Mein Vater … Was man auch verstehen kann, wenn man meine Mutter kennt …“
    Ich versuchte mitzukommen. Okay, er war in der Schweiz geboren, mochte seinen Vater, lebte aber bei seiner Mutter in Berlin.
    „Du konntest nicht bei ihm bleiben …“
    „Erst mal nicht … Aber mit 14 bin ich zurück … Von Marzahn wieder nach Bern … Bis das hier anfing ...“
    Leonard war nervös, wich meinen Blicken aus. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich hatte auf einmal viele Fragen, aber ich konnte Leo doch nicht einfach nach seinem Privatleben ausfragen. Leo räusperte sich, als ginge das Privatleben davon weg.
    „Aber was erzähle ich … Eigentlich wollte ich dir das hier zeigen.“
    Er beugte sich vor, stützte sich auf seine Hände und Knie, und griff nach etwas, was er hinter mir aus dem Regal ziehen wollte.
    Sein Arm streifte mich dabei kurz an der Wange. Er hatte ganz warme, samtige Haut. Aber schlimmer war sein Duft. Er war intensiv und schwer und traf mich völlig unvorbereitet. Ich wollte zur Seite weichen, aber ich tat das Gegenteil. Ich lehnte mein Gesicht gegen seinen Arm. Oder war er es, der meinen Kopf in seine Halsbeuge zog? Plötzlich waren seine

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