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Himmelsvolk

Himmelsvolk

Titel: Himmelsvolk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Bonsels
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herrlicher schmückte, aber zugleich sahen sie, daß sein Angesicht immer trauriger wurde.
    Als er sich umwandte, um ihnen einen letzten Gruß zuzuwinken, war die Sonne herabgesunken, nur ein schmales goldenes Halbrund ihrer Scheibe war noch zu sehen. Da hob der Elf zum letztenmal seine Hand, wie gebannt durch das feurige Himmelsgold, wandte sich an die Sonne im Abend und rief:
    »Ein Elf befiehlt dir gehorsam zu sein,
gib mir Gold aus deinem Schein!«

    Aber es blieb nach seinen Worten totenstill umher, und nichts geschah. Lautlos sank fern die Sonne völlig unter den Horizont, und nun vernahm man umher das leise Seufzen, in welchem alle Geschöpfe sich der hereinbrechenden Nacht ergaben. Ein sanftes Rauschen erhob sich und pflanzte sich fort, und in diesem Wehen stand bestürzt das Elfenkind in seinem Silberglanz, und eine Träne nach der anderen rann über sein blasses Gesicht und tropfte ins Moos. »O, die Sonne,« schluchzte es, »sie ist meinem Ruf nicht gefolgt, ihr Gold ist nicht für mich!«
    Keines der Tiere umher wagte sich zu rühren. Nach den Beweisen seiner Macht, nach allen Wundern, die eben noch der Elf getan hatte, erschütterte alle seine Ohnmacht und sein Schmerz darüber, daß die Sonne ihn nicht hörte, aber wie erschraken sie, als er nun plötzlich den herrlichen Perlenschmuck von seinem Halse nahm und rasch und mit Eifer das schimmernde Bachsilber von den Flügeln streifte. Allen Schmuck, den durch wunderbaren Zauber die Natur ihm gehorsam verliehen, und den er sich angetan hatte, streifte er ab; und nun, als er ihnen wie einst, nur in seinem schlichten Kleid, mit den hellen Flügeln und dem Goldhaar erschien, sahen sie, daß er sich auf seine Knie sinken ließ, und indem er flehentlich seine Hände zum Abendhimmel hob, rief er:
    »Goldene Sonne, ein Elfenkind
möchte nicht mehr sein, als alle sind.
Sieh, ich gab meine irdische Zier,
gib mir dein himmlisches Gold dafür.«

    Kaum waren die Worte im Abendwind verklungen, als hoch aus dem Gipfel der Linde ein feines Klingen erscholl, das von einem Glänzen begleitet wurde, und von Zweig zu Zweig rieselte es golden durch die Blätter nieder und legte sich dem knienden Elfenkind um Stirn und Schläfen und über sein helles Haar. Alle erkannten, daß es das letzte Gold der Abendsonne aus dem Wipfel der Linde war, und das Glück und das Entzücken der Waldwiesenleute kannte keine Grenzen. Es brach ein Jubel aus, der nicht enden wollte, alle Angst und Sorge wich aus den Herzen, und aus den Zügen des Elfen war alle Traurigkeit verschwunden. Nie war er den Tieren der Waldwiese schöner erschienen, das Fremdartige und Seltsame, das noch eben alle an dem Elfenkind in heimliche Scheu versetzt hatte, hielt sie nun nicht mehr gebannt, und alle glaubten es, als Uku rief:
    »Leb’ wohl auf deinem Weg ins Nachtland der Elfenkönigin, du wirst nun sicher zu uns zurückkehren!«
    **
*

    Als der Elf dahinflog, leuchtete eine Weile noch der festliche Abendhimmel durch die Stämme, erst in den Tannen wurde es dunkel, und bald darauf, wenn eine Lichtung kam, schimmerten die ersten Sterne im kühlen Blau der Höhe. Es dauerte nicht lange, und der Mond ging auf, man sah es am blassen Schimmer hoch in den Kronen der Bäume. Die Fledermäuse jagten in den Waldlichtungen, und hin und wieder erscholl der Ruf der Eulen.
    Es war ein weiter Weg für den Elfen, feierlich rauschte der Wald durch sein Herz, das bang und zuversichtlich zugleich pochte, von Furcht und Hoffnung gewiegt. Es war in der Natur umher ganz mondhell geworden, als er am Ort seiner Bestimmung angelangt war. Am Stamm einer uralten Eiche, dicht über dem Boden im Buschwerk kreisten eine Schar von Glühkäfern in seltsamen Ornamenten durch die Luft, als zögen sie geheimnisvolle Linien oder Kreise, die ganze Umgebung wurde auf diese Art in eine schimmernde Dämmerung getaucht, in welcher die Blätter seltsam glommen, als brennte irgendwo ein verborgenes grünliches Licht. Der Elf erkannte diese Wahrzeichen, er ließ sich bis dicht vor die großen Wurzeln der Eiche ins Moos nieder und rief die Glühkäfer an. Sofort löschten alle bis auf einen ihr Licht, nun sah man die Silberstreifen vom Mond durch die Zweige fallen, erwartungsvoll schien alles auf ein Ereignis zu harren. Der Glühkäfer kam nahe an den Elfen heran, aber als er sich vor ihm auf der Baumwurzel niederließ, erschrak er heftig.

    »Was hast du für Licht auf den Haaren und auf deiner Stirn,« rief er, »du erschrickst mich. Lösch dein

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