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Himmelsvolk

Himmelsvolk

Titel: Himmelsvolk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Bonsels
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es eilt, der Abend wird bald hereinbrechen, und es ist weit bis zu den Moorseen.«
    »Es ist mitten im Juli,« sagte eine Ameise geheimnisvoll, »von den Glühwürmchen weiß ich, daß einmal im Jahr zur Sommerzeit bei Vollmond die Elfenkönigin in der Waldtiefe Hof hält. Es wird schon etwas Wahres an dieser Botschaft sein.«
    Eine Grasmücke kam herzugeflattert, und die geflügelten Tiere stoben auseinander, aber die Fremde blieb ruhig sitzen. »Ich reise im Elfenfrieden«, sagte sie ruhig, und die Grasmücke ließ sich neben ihr nieder, ohne ihr ein Leid zu tun, ja ohne ihr zu nahe zu kommen. Die Waldelfen sind ein mächtiges Volk, selbst die größten Tiere gehorchen ihrem Willen, denn es gibt vielerlei geheimnisvolle Künste und manchen Zauberbann, den die Elfenkönigin verhängen kann. Ach, viele Wunder walten im tiefen Wald, aber eines der größten werde ich nun erzählen.
    Als nach einer Weile der Elf kam, von zwei Bienen geführt, die ihm voranflogen, grüßte die Fremde ihn tief und ehrfürchtig, und sie sprachen eine ganze Weile allein miteinander, während die anderen Tiere neugierig und erwartungsvoll im Umkreis verharrten.
    Der Ausdruck des Elfengesichts wurde nachdenklich und immer trauriger, er sah vor sich nieder und sann, es schien als ob die Botschaft des blaugeflügelten Waldboten ihm tief ins Herz sank. Zum Schluß nickte er langsam, grüßte die Fremde freundlich zum Abschied und sah ihr nach, als sie schnurgerade und windesschnell mit leisem Schwirren davonflog, um bald zwischen den Stämmen der Kiefern in der Dämmerung zu verschwinden.
    Li, das Eichhorn, das seine Erwartung nicht mehr zurückhalten konnte, trat nun zuerst an den Elfen heran.
    »Willst du uns verlassen, Lieber?« fragte es rasch und ängstlich.
    Da kam auch Uku auf einen niedrigen Ast herabgeflogen, und der Elf wandte sich an sie:
    »Uku, ich muß in dieser Nacht zur Elfenkönigin.«
    Die Eule machte ein betroffenes Gesicht und sah schräg vor sich nieder, man erkannte deutlich, daß diese Nachricht sie nicht erfreute, und es schien, als wüßte sie, was sich mit dieser nächtlichen Begegnung verbinden könnte. Endlich sah sie auf und dem Elfen gerade ins Gesicht, der sich neben sie auf den Lindenast gesetzt hatte:
    »Die Elfenkönigin ist großmächtig, eine Herrscherin im Wald und über die Heide,« sagte sie, »sie wird dir die Freiheit zurückgeben, nach der du Verlangen trägst.«
    »Ja, sie wird mir helfen wollen«, antwortete der Elf. Seine Gedanken schienen nicht bei seinen Worten zu sein, er legte seine Hand auf die Brust und sah mit großen Augen in die Sonne, die jetzt dicht am Rand der Erde stand und wie eine feurige Kugel glühte.
    »Willst du uns verlassen?« fragte nun auch Uku. Ihr war wie allen Tieren umher plötzlich bang ums Herz, alle erinnerten sich dessen, daß der Elf aus fernen Regionen einer geheimnisvollen Welt zu ihnen gekommen, und daß er im Grunde nicht ihresgleichen war. Sie hatten es längst vergessen, so lieb war er ihnen geworden, und hatte er nicht immer alles mit ihnen geteilt, was sie beschäftigte, freute oder bekümmerte? Nun erschreckte sie der Gedanke, daß er fortfliegen möchte, zurück in sein Elfenreich und sie zurücklassen.
    Da sagte Uku plötzlich:
    »So sollen wir denn allein den Herbst erwarten, die Trauer des Welkens und einst unseren Tod; ach Elfenkind, vergiß uns nicht in deiner hellen Heimat.«
    Da kam eine seltsame Ruhlosigkeit über den Elfen, seine Augen schimmerten in einem kühlen, fremden Licht, er verließ seinen Platz neben Uku und flog zum Bach nieder. Dort nahm er das glitzernde Wasser in seine Hand, hob es auf und sagte:
    »Ein Elf befiehlt dir gehorsam zu sein,
Silber im Wasser, werde mein!«

    Und während das Wasser aus seinen zarten Fingern niederrann, geschah das Wunder, daß ein klarer Silberschimmer in seiner Hand zurückblieb, und er legte ihn über seine hellen Flügel. In diesem Glänzen trat er nun zu den winzigen Wasserperlen, die von einer Bachwelle an einem Schilfhalm zurückgeblieben waren, hob seine Hand und sagte zu ihnen:
    »Ein Elf befiehlt euch gehorsam zu sein,
reiht euch zur glitzernden Kette ein!«

    Und wieder geschah, was er befahl, und als er diesen reinen Schmuck um seinen Hals legte, war seine Pracht überirdisch zu schauen, die Verwunderung der Waldwiesenleute nahm kein Ende, aber sie fürchteten sich, denn er wurde ihnen immer fremder. Sie erlebten, daß er Wunder über Wunder tat und sich für den Gang zu seiner Königin immer

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