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Himmelsvolk

Himmelsvolk

Titel: Himmelsvolk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Bonsels
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zitternd.
    Der Fuchs stand unbeweglich, als wäre er aus Holz geschnitzt, nur seine Rückenhaare hatten sich gesträubt, und in seinen Augen funkelte ein Feuer, so inbrünstig von Wut entfacht, daß es unmöglich schien, hineinschauen zu können. Aber die Raubtierblicke des Marders hielten diesen Augen stand; den seinen, die wie zwei stille, gelbe Edelsteine unter der harten Stirn lagen, entging keine noch so kleine Regung des Gegners, ja es erschien, als errieten sie, wie zwei geisterhafte Spiegel, jeden Gedanken des anderen.
    Dieser Augenblick der scheinbaren Ruhe war von höchster Spannung, es tat einem fast weh, in diesem Zustand der Erwartung verharren zu müssen, und man fühlte sein Blut in tausend kleinen Hämmern überall arbeiten.
    Da, wie ein Pfeil, der aus dem Hinterhalt abgeschnellt wird, fuhr plötzlich von unten her der Marder aufs neue zu, und diesem tückischen Angriff gegenüber erkannte der Elf zum erstenmal die Erfahrenheit und Klugheit des Fuchses in ihrem ganzen Umfang. Statt auf die jähe angreifende Bewegung des Marders einzugehen, verharrte er bewegungslos, sich dessen bewußt, daß er seinen Gegner Rachen an Rachen nicht zu fürchten hatte, und daß der Marder nur auf eine ungeschickte Wendung gehofft hatte, um die Kehle seines Feindes durchbeißen zu können.
    Aber ehe der Elf einem neuen Vorgang mit den Augen folgen konnte, sah er die beiden Raubtiere sich in einem wildbewegten Knäuel am Boden wälzen. Es war nichts mehr deutlich zu unterscheiden, bald leuchtete das Rot des Fuchsfelles auf, bald sah er den hellen Brustflecken am dunklen Fell des Marders aufblinken, und schon glaubte er, der Fuchs habe die Oberhand gewonnen, als ein gräßliches, wildes Geschrei die Waldstille weithin zerriß. Schrie der Marder? Schrien beide Tiere? Diese Laute waren furchtbar anzuhören, Schmerzen, Wut und Todesangst gellten heraus und eine Lebensgier, die alles um sich her vergaß, den Wald, die Tiere, den Himmel und die Erde.
    Da nahm der Elf zu seinem Schrecken wahr, daß es der Fuchs war, der schrie, und zugleich erkannte er, daß im Laub und im Moos rote und dunkle Flecken dort zurückblieben, wo das Knäuel der ringenden Körper sich vorübergewälzt hatte. War es möglich, daß der um so vieles kleinere Marder als Sieger aus diesem Kampf hervorgehen sollte? Nun erkannte er auch, daß sich der Marder im Hinterfuß des Fuchses verbissen hatte, und daß kein Zerren, kein Schütteln und Schleifen ihn zu lösen vermochten. Keine noch so rasche Wendung half dem schwer behinderten Fuchs, immer war der Marder rascher im Entweichen, und sein Gebiß war wie eine Zange in das Fleisch des Fuchses geschlagen.
    Und nun ließ der Fuchs langsam in seinem Bemühen nach, er ermattete mehr und mehr, sein zorniges Schreien verstummte, und nach einer kleinen Weile sank er halb zu Boden. Der Elf hätte ihn verloren gegeben, wenn er nicht einen Blick aus den Augen des scheinbar durch seine Blutverluste so arg geschwächten Tiers aufgefangen hätte, einen raschen Blick, der aber auch nicht eine Spur von Ermattung oder Sterbensnot verriet, sondern eine Wachheit und Klarheit aller Sinne, als sei ihm nicht das kleinste Unheil widerfahren.
    Aber der Marder ließ sich täuschen. Ihm schien der Augenblick gekommen, seinem verwundeten Feind die Kehle zu durchbeißen, er ließ das Bein des Fuchses fahren und fuhr zu, der weit vorgestreckte Kopf mit dem offenen Rachen sah wie das Gifthaupt einer großen Schlange aus, so schlank und geschmeidig erschien es in dieser bösen, gierigen Hast. Aber da, es sah aus wie ein roter Blitz, schnellte der Fuchs herum, nun erkannte auch sein Gegner, daß er getäuscht worden war, und daß der Fuchs alle Kräfte beisammen hatte; doch ehe er zu neuer Besinnung kam, hatten die furchtbaren Zähne des Fuchses sich tief in seinen Hals gegraben. Man vernahm nur einen kurzen schrecklichen Laut von röchelnder Todeswut, dann wurde es still, und langsam hörten die Zuckungen des Körpers auf, den der Fuchs unter sich am Boden festhielt.
    Erst als sich keine Regung des entfliehenden Lebens mehr wahrnehmen ließ, löste er seine Zähne aus dem Hals des Feindes und sprang in einem weiten Satz von ihm zurück, immer noch wie in Sorge, dies zähe, eigensinnige Räuberleben möchte sich trotz seiner Todeswunde zu einem letzten Biß aufraffen. Aber es geschah nichts dergleichen. Der Wald war wieder ruhig geworden, und kein Laut erinnerte mehr an das Kampfgeschrei, das ihn noch eben weithin durchklungen hatte.

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