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Himmelsvolk

Himmelsvolk

Titel: Himmelsvolk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Bonsels
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Nur ein paar Krähen kreisten hoch über den Wipfeln der alten Bäume, unter denen der Marder starb.
    Ein kleines rotes Bächlein rieselte aus seinem durchbissenen Hals ins Moos. Der Fuchs sah ruhig mit seinen klaren Augen hinüber und leckte sich die Lippen, sein breiter roter Schweif peitschte das Laub, er sah zufrieden und stolz aus, auch nicht ein Schatten von Reue oder Mitleid trübte ihm den bösen Genuß seiner Kraft und seines Sieges. Seine Wunde beachtete er in diesen Augenblicken nicht.
    Du mächtiger Herr im Wald, dachte der Elf, und sein Herz zitterte. Du kannst hassen und töten, genießen und sterben, alles ist dein unvermindertes Recht.
    Da erinnerte sich auch der Fuchs des Elfen, er sah hinüber und lachte.
    »Nun,« rief er, »was sagst du dazu? Ich habe gewußt, daß hier etwas nicht geheuer war, und ich suchte den Marder schon seit langem. Du hältst mich wohl für sehr böse?«
    Der Elf strich sein Haar zurück und atmete tief auf.
    »Ich halte dich für stark und klug«, sagte er und preßte die bebenden Hände zusammen. »Denk an mich und vergiß mich in deiner Freiheit nicht.« Und er flog nach diesem Gruß auf und davon, das Herz von Erhobenheit und Bangen zerteilt.
    Der Fuchs sah ihm so lange nach, als er ihn zwischen den Stämmen im Licht der Abendsonne erkennen konnte, und dachte: Er läßt mir, was ich bin und was ich habe, so möge auch er einmal empfangen, was sein Teil ist zu seiner Freiheit, das wünsche ich ihm.

Sechzehntes Kapitel
Die Elfennacht

    Eines Tages, als die große Sonne schon rot und feierlich am Abendhimmel stand und die Schleier der Heide mit ihrem goldenen Glanz entzündete, kam aus dem Walddunkel ein seltsames Tier dahergeflogen, machte halt auf der Wiese und fragte nach dem Elfen.
    Das war zum mindesten ein Ereignis, denn die Tiere der Waldwiese mußten sich nach dieser Frage sagen, daß es ferne und fremde Gegenden gab, in welchen man vom Elfen etwas wußte, wahrscheinlich, ohne daß er sie jemals aufgesucht hatte. Es kam hinzu, daß der geflügelte Bote Bewunderung erregte, es war niemals zuvor ein ähnliches Tier auf der Wiese gesehen worden. Auf den ersten Blick hätte man glauben können, es sei eine Libelle, denn die Fremde hatte wie diese schönen glitzernden Tiere durchsichtige Flügel und einen langen schmalen Leib, auch waren es vier Flügel an der Zahl und ähnlich geformt, wie die der Libellen, aber auf jedem von ihnen befand sich ein großer dunkler Fleck von tiefem Blau. Vom gleichen schimmernden Blau war der schmale Körper, und die klugen großen Augen schauten ernst, beinahe schwermütig aus dem Gesicht. Es war, als käme dieses seltsame Geschöpf nicht aus Bereichen der Tagesklarheit, sondern als sei es ein wunderbarer Nachtvogel der kühlen Stunden, in denen am Himmel der Mond herrscht.
    Zwei Schmetterlinge, ein Pfauenauge und ein Schwalbenschwanz, entdeckten den fremden Boten zuerst, und rasch verbreitete sich die Nachricht unter den Tieren der Waldwiese, daß die Botschaft des Ankömmlings den Elfen anging. Die Bienen machten sich auf den Weg, ihn zu suchen, denn in der Nähe war er nirgends zu sehen.
    »Wie ist es denn?« fragte das Pfauenauge, »können Sie uns nicht erzählen, was Sie dem Elfen zu sagen haben? Wir werden es schon ausrichten.«
    Die Fremde schüttelte den Kopf. »Das geht nicht,« sagte sie, »ich muß ihn selber sprechen, ich komme von der Elfenkönigin.«
    Das Pfauenauge erschrak. Es hatte sich inzwischen eine ganze Reihe der Waldwiesenleute angesammelt, und nun wichen sie alle scheu ein wenig zurück, man sah deutlich, wie diese Nachricht alle überraschte, denn wer kannte die Macht der Elfenkönigin nicht. Es war eine Weile totenstill, man hörte den Bach plätschern, und das Lindenrauschen füllte die abendlich durchleuchtete Luft unter den großen dunklen Zweigen. Die Blumen in der Nähe, die schon an ihren Schlummer dachten, horchten auf und hoben ihre Köpfchen in die Abendstille. Wer hatte nicht von der Elfenkönigin gehört! Wollte sie nun den Elfen, der ihnen allen lieb geworden war, fortrufen und aufs neue in ihr Reich bannen, daß er ihrer Gemeinschaft entzogen werden sollte?
    »Sagen Sie uns, was geschehen wird«, bat ein Grashüpfer, aber die Fremde schüttelte den Kopf, besorgt sah sie sich um. »Werden die Bienen den Elfen finden?« fragte sie.
    Der Schmetterling nickte. »Die Bienen finden alles, was sie wollen; wissen Sie nicht, daß die Bienen darin groß sind?«
    »Doch, doch,« lautete die Antwort, »aber

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