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Himmelsvolk

Himmelsvolk

Titel: Himmelsvolk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Bonsels
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magische Licht ihrer alten Welt und mit ihr der unterirdische Raum und das Heer der erschrockenen Elfen versanken in grausige Erdtiefe, abgelegener und ferner, als die Sinne ermessen können. Es wehte kühl und traurig aus der Finsternis über den Elfen hin, und er vernahm aus der Nacht, die ihn umgab, eine dumpfe Klage, wie sie zuweilen vor dem hereinbrechenden Föhn schaurig über die Eisdecke der Gebirgsseen hinhallt. –
    Am hereinbrechenden Morgen weckte das Tageslicht der Erde den Elfen. Er fand sich unter Farren im Moos liegen, zwischen den großen Wurzeln des Baums, der den Eingang zum Elfenreich hütete. Er richtete sich mit Taumeln auf und sah voll tiefen Erstaunens in das Morgenrot, das zwischen den Stämmen leuchtete. So war er nun dem alten Heimatreich für immer entrückt, sein Zauber hatte die Gewalt über ihn verloren, und es war ihm nach seinem Willen geschehen, nun unter den Sterblichen der Erdoberfläche ein Vergänglicher zu sein, wie die anderen alle.
    Als die Sonne ihr funkelndes Strahlengold über die heitere Landschaft ergoß, als die fernen Seen aufblitzten wie silberne Himmelreiche, im Morgenrauschen der Wälder verloren, als die ersten Stimmen der erwachenden Tiere ihn begrüßten und der Tau seine Stirn kühlte, zog ein froher Mut in sein Herz ein. Mit Singen erhob er seine Flügel und flog durch den Morgenglanz der erfrischten Welt auf die Waldwiese zurück, zu den Pflanzen und Tieren, den Freunden seines Lebens.

Siebzehntes Kapitel
Das Reich

    Langsam wurden nun die Tage kürzer, und die ersten Silberfäden der Wanderspinnen hingen in den Büschen oder sie zogen so lautlos durch die klare Luft, als ruhten sie auf unsichtbaren Schwingen, wie überall umher das sommerliche Waldglück in freier Gestilltheit träumte. Aber seit diese glitzernden Fäden zu sehen waren, kam mit ihnen eine heimliche Wehmut auf, als sänge eine Frauenstimme in einem verlassenen Haus, oder als wendete ein Scheidender sich nach einer liebgewonnenen Stätte um, die er nicht wiedersehen sollte.
    Die Berberitzensträucher am Rand der Waldwiese sahen unter der roten Last ihrer kleinen Früchte aus, als wären sie über und über mit Korallen behängt, die vereinzelten Vogelrufe zogen durch das Wunder ihrer zarten Gestalt, wie auch die Luft und die kühlere Sonne. Die Nächte waren von niegesehener Klarheit, die Gestirne funkelten so deutlich und nah, als wünschten sie ihr strahlendes Bild in alle Seelen einzuprägen, und die Gedanken der lebendigen Wesen, die über dem scheidenden Sommer in Schwermut sanken, mußten zu ihnen emporziehen, ob sie wollten oder nicht.
    Zu dieser Zeit begann die Linde an einem hellen Abend eine andere Geschichte von den Menschen und erzählte:
    »Im Laufe meines langen Lebens, dessen Dauer ihr Lieben, meine Blumen, Pflanzen und Tiere in eurem Sinn nicht ermessen könnt, habe ich viele Menschen unter meinem Schatten beherbergt, ich habe sie von sich und anderen sprechen hören, ich kenne viel von ihrem Verlangen, ihren Schmerzen, ihrer Freude. Frühling für Frühling, im beständigen Wechsel der Jahreszeiten, hat sich meine Erfahrung auf seltsame Art erneut. Ich habe das Große des Irdischen um so besser behalten, und das Geringe hat sich verloren, als sei es kein Teil meiner Erinnerung. So ist es mir ähnlich ergangen, wie es einem alten Geschlecht unter den Menschen ergehen kann, zuletzt erben die jüngsten Sprossen zuweilen die Herzenserfahrung ihrer Väter als ihr Gut, sie werden mit weisen Augen geboren, zugleich mit unvergänglicher Jugend und bergen den Seelenreichtum ihrer Ahnen im großen Gemüt.
    So habe ich in meinen tausend Jahren oft von der Geschichte eines Mannes vernommen, immer wieder erklang sein Name, und was ich durch den Wandel der Jahrhunderte von seinem Wesen behalten habe, was Frühlinge und Herbste, der Schlaf des Winters und das Ungestüm der Stürme in mir nicht haben auslöschen können, das will ich euch heute erzählen, da nun der Sommer zur Neige geht, und mit ihm manches Leben unter mir entschläft, um in dunkler Ruhe seiner Vollendung zu warten.«
    Es waren an jenem Abend, an dem die Linde ihre Geschichte begann, fast alle Geschöpfe der Waldwiese versammelt, die euch bekannt geworden sind, und noch viele mehr. Auch der Elf saß mit gestütztem Kinn auf einem Moospolster unter einem hohen Farrenblatt und lauschte. Seine Augen waren groß und still und suchten die schimmernde Weite des späten Sommertages. Wer ihn näher kannte und liebte, hatte in der

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