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Himmlische Juwelen

Himmlische Juwelen

Titel: Himmlische Juwelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Schreibmaschine
benutzt, dachte Caterina. Sie nahm das Heft, und da sie ahnte, dass Roseannas
Liste alphabetisch geordnet war, blätterte sie von »Porpora« zu »Hasse« zurück
und sah, dass die Briefe bis zu zwölf Jahren zurück datierten; für [43]  Caldara
sogar noch etwas weiter zurück, aber das waren nur zwei.
    Sie blätterte nach hinten, überschlug »Sartorio« und stieß auf
»Steffani«.
    »Wie kommt es, Roseanna, dass die Einträge für Steffani erst vor
kurzem angefangen haben?«
    »Oh, der war lange in der Versenkung verschwunden«, antwortete
Roseanna.
    »Verstehe«, sagte Caterina. Sie hatte sein Porträt einmal in einem
Buch gesehen: rundes Gesicht und Doppelkinn; Scheitelkäppchen, unter dem links
und rechts weiße Haare hervorkamen; lange Finger umfassten das Kreuz vor seiner
Brust. Seit fast dreihundert Jahren tot. Caterina klappte das Heft zu und legte
es auf den Tisch. Dabei fiel ihr Blick auf das Foto der Statue. Marc Aurel.
Kaiser. Held. Dem Generationen von Historikern verübelt hatten, dass er die
Macht an seinen Sohn Commodus weitergegeben hatte, als ob er, wenn es nach
ihnen ginge, besser kinderlos geblieben wäre. Kinderlos. Ohne Erben.
    Plötzlich kam ihr die Erleuchtung, und sie stöhnte unwillkürlich
auf, wie bei einem Schlag in den Magen. »Marc Aurel«, sagte sie. »Natürlich,
natürlich.«
    Verblüfft sah Roseanna sie an. »Was ist? Was hast du?« Sie warf eine
Mappe auf den Tisch und fasste Caterinas Arm. Als Caterina schwieg, fragte sie
noch einmal: »Was hast du?«
    »Marc Aurel«, wiederholte Caterina.
    Roseanna sah auf den Heftumschlag. »Ja, ich weiß, aber was ist mit
dir?«
    Caterina rieb sich die Stirn wie bei Kopfschmerzen und tippte sich
mehrmals an die Schläfe. »Natürlich, natürlich«, [44]  murmelte sie. Dann zu
Roseanna: »Die Truhen sind aus dem Besitz von Steffani, richtig?«
    Der anderen fiel die Kinnlade runter. »Von wem weißt du das? Die
haben uns angewiesen, nichts zu verraten, bis der von ihnen ausgewählte
Kandidat sich an die Arbeit mit den Papieren macht. Wie bist du
dahintergekommen?« Als Caterina nicht antwortete, fasste Roseanna erneut ihren
Arm, diesmal mit größerem Nachdruck. »Wer hat es dir verraten?«
    Caterina zeigte auf das Schulheft. »Das da«, sagte sie.
    Das war Roseanna offensichtlich zu hoch. Sie nahm das Heft und
blätterte darin herum, als müsste die Antwort dort geschrieben stehen.
»Begreife ich nicht«, gestand sie und legte das Heft auf den Tisch zurück.
    »Mir ist was eingefallen«, sagte Caterina. »Was ich im Studium
gelesen habe. Seine erste Oper war Marco Aurelio. «
Roseanna war anzusehen, dass sie noch nie davon gehört hatte. Aber wer hatte
das schon? »Und dann noch etwas anderes. Er hatte keine direkten Nachkommen,
und niemand hat je erfahren, was nach seinem Tod aus seinem Besitz geworden
ist.« Irgendwie hatte auch die Kirche ihre Finger im Spiel gehabt, erinnerte
sie sich vage.
    Roseanna setzte sich an den Schreibtisch. Auf den Stuhl des
Direktors, aber wie ein Direktor sah sie ganz und gar nicht aus. Sie beugte
sich vor und stützte das Kinn in die Hand. »Ja. Du hast recht. Es geht um
Steffani.« Sie betonte den Namen auf der ersten Silbe, wie jeder Italiener es
tun würde. Wie Steffani es nicht getan hatte.
    Caterina nahm ihr gegenüber Platz.
    »Ich weiß sowieso nicht, was das soll«, erklärte Roseanna [45]  energisch.
»Also wirklich. Du hättest es ja doch gleich erfahren, sobald du mit den
Papieren angefangen hättest. Aber diese zwei«, ereiferte sie sich. »Alles muss
geheim sein. Niemand soll was wissen. Wenn einer der beiden sehen würde, dass
die Haare des anderen in Flammen stehen, würde er immer noch nicht den Mund
aufmachen.« Sie steigerte sich in ihre Wut hinein. »Schrecklich, diese zwei.
Einer schlimmer als der andere.«
    »Die Cousins?«, fragte Caterina.
    Roseanna blickte auf und schnipste verächtlich mit den Fingern. »Was
heißt schon Cousins? Beide riechen Geld. Mehr Verwandtschaft besteht zwischen
denen nicht.« Dann setzte sie noch hinzu: »Und dieses gegenseitige Misstrauen.«
    »Stammen sie wirklich von ihm ab?«, fragte Caterina. »Von Steffani?«
    »Und ob.«
    »Wie können sie das wissen? Oder beweisen?«
    Roseanna schnaubte erst wütend. Dann sah sie Caterina prüfend an.
Schließlich meinte sie: »Die Mormonen.«
    »Verzeihung?« Steffani, das wusste sie noch, war ein Kirchenmann
gewesen; aber wieso kamen die Mormonen ins Spiel? »Er war doch Priester, oder?
Lange bevor

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