Himmlische Juwelen
es die Mormonen gab.«
»Ja, ich weiß«, sagte Roseanna. »Aber die helfen einem bei der
Ahnenforschung. Die Mormonen.«
Caterina, die sich herzlich wenig für ihre Vorfahren interessierte,
wäre nie auf die Idee gekommen, nach ihnen zu forschen. »Was haben die Mormonen
damit zu schaffen?«
Roseanna tippte sich grinsend an die Stirn. »Die glauben an so was,
oder jedenfalls hat Dottor Moretti mir erzählt, [46] dass sie an so was glauben.
Dass sie Leute rückwirkend taufen können, Leute, die schon lange tot sind.«
Ihre Miene ließ erkennen, wie wenig sie selbst von dieser Möglichkeit hielt.
Caterina sah sie lange an. »Dann könnte man also auch jemanden
rückwirkend heiraten und dann sein Vermögen erben?«
Roseanna begriff nicht sofort, dass dies ein Scherz sein sollte,
aber als sie dann loslachte, wirkte sie zehn Jahre jünger. Schließlich
trocknete sie sich die Augen und sagte heiser vor Lachen: »Das wäre praktisch,
wie?« Sie überlegte. »Vielleicht könnte ich Gianni Agnelli heiraten.« Aber dann
korrigierte sie sich mit einer Akribie, die Caterina nur bewundern konnte:
»Nein, der ist zu alt geworden. Ich würde einen nehmen, der früh gestorben
ist.«
Caterina verkniff es sich, nun ihrerseits den einen oder anderen
Kandidaten zu nennen, um nicht vom Thema abzulenken.
Roseanna wischte sich die letzten Lachtränen von den Wangen und
sagte lächelnd: »Dottor Moretti hat mir erzählt, die seien echte Experten für
Stammbaumforschung und sehr großzügig, wenn es um die Weitergabe solcher
Informationen geht.«
»Wie stellen sie das denn an? Das hier ist ein katholisches Land.
Teile von Deutschland auch.« Wieder fiel ihr etwas dazu ein: Steffani war irgendwie
in die Auseinandersetzungen zwischen Protestanten und Katholiken geraten. Wie
lange das her war, und wie sinnlos einem das heute vorkam. Jahrhundertelang
hatte man sich bis aufs Blut darüber gestritten, wie viele Engel auf der Spitze
einer Nadel tanzen [47] konnten. Ob die Hostie wirklich der Leib Christi oder nur
ein Symbol dafür sei. Zu Steffanis Lebzeiten waren die Streitigkeiten immer
noch nicht beigelegt. Sie konnte allein schon bei der Vorstellung nur den Kopf
schütteln: Wie viele Millionen waren für diese Engel und diese Hostien
gestorben? Jahrhunderte später sind die Kirchen leer, bis auf ein paar alte
Leute und Jugendliche mit schlechtgestimmten Gitarren.
»Ist was?«, fragte Roseanna.
»Ach, schon gut«, schüttelte Caterina den Kopf. »Ich versuche mich
nur zu erinnern, was ich im Studium über Steffani gelesen habe.«
»In der Marciana gibt es Bücher über ihn«, sagte Roseanna. »Ich weiß
aber nur wenig über sein Leben. Andere sind faszinierend: Gesualdo hat seine
Frau und ihren Liebhaber getötet, außerdem hatte er einen Buckel. Porpora hat
Bankrott gemacht, und über Cavalli habe ich gelesen, dass er Tag für Tag nichts
anderes getan hat, als Opern zu schreiben.«
Caterina sah Roseanna plötzlich mit anderen Augen, sagte aber
nichts.
»Ich mag Barockmusik, also habe ich mich damit beschäftigt, und mit
den Komponisten. Im Konservatorium gibt es Bücher, aber die haben mich nicht in
die Bibliothek gelassen.« Ob sie das kränkte, war nicht herauszuhören. Aber
dann lächelte sie. »Als ich in der Marciana sagte, dass ich hier die
stellvertretende Direktorin bin, war ich willkommen.«
»Gut gemacht«, sagte Caterina mit breitem Lächeln.
»Danke«, sagte Roseanna leicht verlegen. »Und ihr Leben war wirklich
interessant. Außerdem, wenn ich schon dieses [48] Amt innehabe, sollte ich mich
doch ein bisschen in der Materie auskennen, nicht wahr?«
Erst wollte die Frau den reichsten Mann von Italien heiraten, und
jetzt versetzte sie sämtlichen Politikern im Lande den Todesstoß. Was würde sie
als Nächstes fordern? Ein funktionierendes politisches System? Einen
Philosophen als König?
»Erzähl mir mehr von den Mormonen«, bat Caterina.
Roseanna hätte wohl lieber weiter von ihrer Arbeit oder über Musik
gesprochen, nickte aber bereitwillig. »Dottor Moretti hat gesagt, er hat sich
schon öfter an sie gewandt. Die haben Dokumente, die mehrere Jahrhunderte
zurückreichen. Da kann man seine Familie viele Generationen weit
zurückverfolgen.«
»Und die beiden Cousins kommen wirklich in ihrem Stammbaum bis zu
Steffani zurück?«
»Bis zu seinen Cousins, ja: Von denen stammen sie ab. Die Mormonen
besitzen Abschriften von Kirchenbüchern aus ganz Italien. Dottor Moretti hat
Kopien der entsprechenden Einträge:
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