Himmlische Juwelen
einer Flotte von [52] Wassertaxis, der
nahezu kein Einkommen hat?«, sagte Caterina, was Roseanna mit einem Blick
quittierte, der einem Stempel in Caterinas Pass entsprach und sie als
Venezianerin anerkannte.
»Was weißt du sonst noch?«, fragte sie.
»Dass Stievanis Söhne und Neffen die Taxis fahren. Und ein Vermögen
machen. Natürlich alles unversteuert.«
»Und Scapinelli?«
»Vorbestraft wegen Wucherei, arbeitet aber weiter in den Geschäften
seiner Söhne. Die auch keine Engel sind.«
Roseanna schwieg eine Weile und schob das Thema Schatz mit ihrer
nächsten Frage auf die lange Bank: »Ist deine Mutter Margherita Rossi?«
»Ja.«
»Und ihr Vater hat im Fenice-Orchester gespielt?«
»Ja. Geige.«
»Dann kenne ich deine Familie. Dein Großvater hat meinem Vater
manchmal Opernkarten geschenkt«, seufzte Roseanna, vielleicht weil sie an die
Verpflichtung dachte, die sich aus diesem Freundschaftsdienst ergab.
Caterina war taktvoll genug, Roseanna die Initiative zu überlassen.
»Das sind ganz schlechte Leute«, sagte Roseanna. »Sie kommen aus schlechten
Familien. Die eine Linie stammt aus Castelfranco; die andere aus Padua, glaube
ich. Aber sie sind schon seit Generationen hier in der Stadt. Die Habgier ist
ihnen angeboren.«
Plötzlich hatte Caterina genug von all dem Tratsch und fragte
ungeduldig: »Und was ist mit dem Schatz? Wo kommt der her?«
»Das weiß niemand«, sagte Roseanna.
[53] »Und wo ist er, weiß das jemand?«
Roseanna schüttelte den Kopf und erhob sich unvermittelt. »Gehen wir
einen Kaffee trinken«, sagte sie und ging zur Tür hinaus, ohne sich umzusehen,
ob Caterina ihr folgte.
Draußen in der calle überlegte Roseanna,
wohin sie gehen könnten. Caterina war seit Jahren nicht mehr in diesem Teil der
Stadt gewesen und hatte daher keine Ahnung, welche Bars noch anständigen Kaffee
servierten.
Roseanna bewegte den Kopf hin und her wie ein Jagdhund, der
Witterung aufnimmt. »Komm«, sagte sie schließlich und hielt sich rechts. »Wir
nehmen die Bar am Campo Santa Maria Formosa.«
Es gab dort zwei, erinnerte sich Caterina, eine, die ihre Bänke bis
zum Beginn der kalten Jahreszeit draußen stehen ließ, und gegenüber, am Kanal,
noch eine, wo angeblich – und sie hatte daran nie gezweifelt – früher die
Verstorbenen aufgebahrt wurden vor dem Transport auf den Friedhof San Michele.
Sie schlenderten die Ruga Giuffa entlang und redeten über alles
Mögliche, entdeckten dies und das, ein Parfüm, das sie einmal ausprobiert
hatten und bald nicht mehr mochten. Als Venezianerinnen sprachen sie auch über
die Läden, die es früher hier gegeben hatte: der wunderbare Laden für
Badezimmer, zum Beispiel, verdrängt von einem Ramschladen für Handtaschen und Gürtel.
Jenseits der Brücke überquerte Roseanna den campo und ließ zu Caterinas Erleichterung die Bar am Kanal links liegen. Vor der
anderen Bar blieb Roseanna stehen und fragte: »Drinnen oder draußen?«
Caterina überlegte kurz. »Drinnen, leider«, sagte sie; es [54] war zu
kühl. Doch bevor sie hineingingen, zeigte sie auf das Eckhaus und fragte: »Was
ist aus diesem Palazzo geworden?« Sie wusste, das Gebäude war einmal – wie
Steffanis Truhen – Gegenstand eines Erbstreits gewesen; Gerüchten zufolge
handelte es sich bei den zerstrittenen Parteien nicht um Cousins ersten oder
zweiten Grades, sondern um erste und zweite Ehefrauen, eine noch tödlichere
Kombination.
»Ein Hotel«, sagte Roseanna mit unverhohlenem Abscheu. »Drinnen
haben sie alles rausgerissen und durch Imitat ersetzt, jetzt können die
Touristen sich rühmen, sie wohnen in einem echten venezianischen Palazzo.« Sie
stieß die Tür zur Bar auf und ging hinein. Caterina sah zu ihrer Freude, dass
es keine Sitzplätze gab. Sie hatte genug von »gemütlichen« Kaffeehäusern mit
samtbezogenen Bänken und Sahnehäubchen neben dem Strudel, Sahne in den Torten,
auf dem Kaffee. Hier stand man, leerte seinen Espresso in einem Zug und wandte
sich wieder seinen Geschäften zu.
Roseanna begrüßte den Barmann mit Namen und bat um zwei caffè, die umgehend serviert und ebenso schnell getrunken
wurden. Dabei schwiegen die beiden Frauen, statt sich über Vertrauliches
auszutauschen. Draußen sah Caterina auf die Uhr, es war kurz nach elf; sie
wandte sich Richtung Brücke, um zur Stiftung zurückzugehen. Um endlich Nägel
mit Köpfen zu machen, beharrte sie: »Du hast mir immer noch nichts von dem
Schatz erzählt.«
Roseanna nickte und überraschte sie mit
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