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Himmlische Juwelen

Himmlische Juwelen

Titel: Himmlische Juwelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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in
die trockene Hand. »Nein, natürlich nicht. Ich konnte nur mein Handy nicht
gleich finden.« Sie lachte, fand die Situation dann wirklich komisch und lachte
noch einmal.
    »Freut mich, dass du’s noch gefunden hast«, sagte er. »Ich wollte
dir von den Cousins erzählen.«
    »Ah ja, die Cousins«, sagte sie. »Sind sie unzufrieden?«
    »Sie waren unzufrieden«, sagte er, mit Betonung auf dem zweiten
Wort. »Signor Scapinelli hat dir vorgeworfen, du würdest die ganze Zeit nur in
der Stadt herumlaufen und Kaffee trinken.«
    »Und?«, fragte sie und verkniff sich die Bemerkung, das sei immer
noch besser, als in der Stadt herumzulaufen und Grappa zu trinken.
    »Ich habe dieselbe Technik angewandt wie du in deiner Mail und ihm
erklärt, du seist sehr gewissenhaft und nur darauf bedacht, nichts zu
übersehen, was für die Entscheidung über den Anspruch auf den mutmaßlichen
Nachlass von Belang sein könnte.« Du liebe Zeit, dachte sie, typisch Anwalt.
    »Danke.« Mehr fiel ihr dazu nicht ein.
    »Da gibt es nichts zu danken. Es ist die Wahrheit. Solange du nicht
alles liest, was du an Hintergrundinformationen auftreiben kannst, wirst du die
Dokumente in den Truhen nicht richtig einordnen können. Und dann wirst du
entweder die falsche Entscheidung treffen, oder du wirst zu gar keiner kommen
können.«
    [201]  »Schon möglich«, sagte sie abwägend und ganz die Forscherin, dann
aber fragte sie doch lieber nach: »Und was geschieht, wenn ich tatsächlich zu
keiner Entscheidung komme?«
    »Ah«, sagte er gedehnt. »In diesem Fall würden alle Dokumente, die
einen Wert besitzen, verkauft und die Einnahmen unter den beiden aufgeteilt.«
Er ließ ihr Zeit, darauf zu antworten, und als sie schwieg, fragte er: »Aber
bis jetzt hast du nichts gefunden, das von Wert sein könnte, oder?«
    »Nein, soweit ich das beurteilen kann.«
    »Dann werden sie, wie gesagt, alles, so gut es geht, an den Mann zu
bringen versuchen und den Erlös teilen.«
    »Aber?«, fragte sie, da er mit der Antwort gezögert zu haben schien.
    »Sie behaupten, es gäbe in beiden Familien ein Gerücht, wonach ein
Vorfahre, ein Priester, ein herrenloses Vermögen hinterlassen habe.« Aus
Andreas Mund klingt die Geschichte auch nicht glaubhafter als aus Roseannas,
dachte sie.
    »Gerüchte gibt es viele«, sagte sie daher und fügte trocken hinzu:
»Vermögen gibt es wenige.«
    »Ich weiß, ich weiß, aber die Familie Stievani beharrt darauf, er
habe bei seinem Tod eins gehabt. Eine Tante aus grauer Vorzeit, aus dem
neunzehnten Jahrhundert, soll ein Dokument von seiner Hand besessen haben,
worin es hieß, er habe die himmlischen Juwelen seinem Neffen Stievani vermacht – Giacomo Antonio, ihrem Urgroßvater.«
    Caterina erschrak: Genau diesen Ausdruck hatte die Gräfin von Platen
in ihrer Anklage gegen Steffani benutzt. Sie versuchte sich nichts anmerken zu
lassen und fragte sachlich: »Und wo ist dieses Dokument?«
    [202]  Diesmal lachte er. »Falls du jemals von Musik genug haben
solltest, könntest du zur Polizei gehen.«
    Jetzt lachte sie auch. »Ich fürchte, dafür bin ich nicht
geschaffen.«
    »Du stellst Fragen wie eine Polizistin.«
    »Wie eine Wissenschaftlerin«, korrigierte sie ihn.
    »Könntest du den Unterschied erklären?«
    Das Geplänkel mit ihm machte ihr Spaß. »Wissenschaftler können
niemanden verhaften und ins Gefängnis schicken.«
    Er lachte. »Das ist allerdings wahr.«
    Aus heiterem Himmel stellte sie die Frage: »Glaubst du diese
Geschichte mit der Tante?« Aber was sollte er als Anwalt der Cousins schon
darauf antworten?
    Er schwieg so lange, dass sie zu fürchten begann, sie sei mit ihrer
Frage zu weit gegangen. Gerade als sie dachte, er habe womöglich aufgelegt,
sagte er: »Das spielt keine Rolle. Juristisch ist die Geschichte
bedeutungslos.«
    »Und wenn das Dokument sich auf wundersame Weise erhalten hat?«,
fragte sie provozierend.
    »Dann wäre es immer noch bloß ein Stück Papier«, sagte er.
    »Und ein Splitter vom Kreuz Christi ist bloß ein Stück Holz?«,
fragte sie.
    Erst nach einer längeren Pause fragte er gespielt beiläufig: »Warum
sagst du das?«
    Sie fand den Vergleich deutlich genug, erklärte sich dann aber doch:
»Wenn genügend Leute etwas glauben, dann wird es für sie wahr.«
    »Ein Beispiel?«, fragte er freundlich.
    »Ich habe eben eins genannt«, sagte sie. »Oder das Buch [203]  Mormon
oder das Turiner Grabtuch, oder ein Fußabdruck in einem Stein, von dem aus
irgendwer in den Himmel gesprungen

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