Himmlische Wunder
höre öfter das Klacken von hohen Absätzen auf dem Parkett), die beiden lachen und reden endlos über – ja, worüber eigentlich?
Bis zu einem gewissen Grad rührt mich das. Aber ein Teil von mir – der neidische, undankbare Teil – fühlt sich ausgegrenzt. Natürlich ist es fantastisch, dass Zozie hier ist, sie ist eine wunderbare Freundin, sie kümmert sich um die Kinder, sie hat uns geholfen, den Laden neu zu gestalten und endlich etwas damit zu verdienen.
Aber niemand soll denken, dass ich nicht merke, was sich hier abspielt. Wenn ich hinsehe, kann ich hinter die Kulissen blicken: Ich sehe den subtilen Goldglanz im Haus, die Glöckchen im Fenster, den Glücksbringer über der Schwelle, den ich zuerst für Weihnachtsschmuck gehalten habe, und überhaupt die Zeichen, die Symbole, die Figuren im Adventshaus, die ganze Alltagsmagie, von der ich gedacht hatte, sie sei längst verschwunden, und die jetzt an allen Ecken und Enden aufblüht.
Wem schadet es?, frage ich mich. Eigentlich ist es doch gar kein richtiger Zauber, nur ein paar kleine Talismane, ein, zwei Symbole, die angeblich Glück bringen, lauter Dinge, die meine Mutter gar nicht weiter beachtet hätte.
Aber ich kann mir nicht helfen, ich fühle mich nicht wohl dabei. Man bekommt im Leben nichts geschenkt. Wie der Junge im Märchen, der seinen Schatten verkaufte, muss auch ich bald den Preis bezahlen, wenn ich die Augen vor den Verkaufsbedingungen verschließe und von der Welt auf Kredit kaufe.
Was willst du, Zozie?
Welchen Preis verlangst du?
Im Verlauf des Nachmittags wurde ich immer unruhiger. Irgendetwas lag in der Luft. Vielleicht war es das Winterlicht. Ich merkte, dass ich mich nach jemandem sehnte – aber ich konnte nicht sagen, nach wem. Nach meiner Mutter vielleicht. Nach Armande, nach Framboise. Nach einem unkomplizierten Menschen. Nach jemandem, dem ich vertrauen kann.
Thierry rief zweimal an, aber ich nahm nicht ab. Er würde ohnehin nichts kapieren, nicht einmal ansatzweise. Ich versuchte, mich auf die Arbeit zu konzentrieren, aber aus irgendeinem Grund ging alles schief. Ich erhitzte die Schokolade zu stark oder zu wenig, ließ die Milch aufkochen, gab Pfeffer statt Zimt in die Haselnussplätzchen. Ich bekam Kopfschmerzen. Am späteren Nachmittag übergab ich Zozie die Regie und ging nach draußen, um Luft zu schnappen.
Ich hatte kein bestimmtes Ziel im Sinn. Auf jeden Fall wollte ich nicht in die Rue de la Croix gehen, aber genau dort fand ich mich nach knapp zwanzig Minuten wieder. Der Himmel war spröde und kobaltblau, und die Sonne stand schon viel zu tief, um Wärme zu spenden. Ich war froh, dass ich einen Mantel übergezogen hatte – matschbraun, wie meine Stiefel –, und schlang ihn enger um mich, als ich in die schattigen Straßen der unteren Butte kam.
Es war reiner Zufall, sonst nichts. Ich hatte den ganzen Tag nicht an Roux gedacht. Aber da war er, vor der Wohnung, in Arbeitsstiefeln und Overall, eine schwarze Wollmütze auf dem Kopf. Er wandte mir den Rücken zu, aber ich erkannte ihn sofort. Seine schnellen, aber ruhigen Bewegungen, die zähen, schmalen Muskeln in Rücken und Armen, die sich dehnten und beugten, während er Kisten und Kartons mit Bauschutt in einen Container am Straßenrand warf.
Instinktiv trat ich hinter einen Kleinlaster, der ganz in der Nähe parkte. Dass Roux plötzlich vor mir stand und dass ich jetzt hier war, obwohl Zozie mich davor gewarnt hatte, zu der Wohnung zu gehen, irgendwie brachte mich das durcheinander und machtemich vorsichtig. Ich beobachtete Roux von meinem Versteck aus, unsichtbar in meinem langweiligen Mantel. Mein Herz rappelte wie ein Flipperautomat. Soll ich ihn ansprechen? Möchte ich überhaupt mit ihm reden? Was will er eigentlich hier? Ein Mann, der die Großstadt verabscheut, der den Lärm hasst, den Reichtum verachtet und lieber unter freiem Himmel schläft als unter einer Zimmerdecke.
In dem Moment kam Thierry aus dem Haus. Ich spürte sofort die Spannung zwischen den beiden. Thierry wirkte verärgert, sein Gesicht war gerötet, er redete in scharfem Tonfall mit Roux und forderte ihn mit Gesten auf, ins Haus zurückzugehen.
Roux tat so, als würde er nichts hören.
»Sind Sie taub oder bescheuert?«, schimpfte Thierry. »Wir haben einen gottverdammten Terminplan, falls Sie das schon vergessen haben. Und kontrollieren Sie gefälligst mit der Wasserwaage, ob der Boden eben ist, bevor Sie anfangen. Diese Dielen sind aus Eiche, kein dünnes
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