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Himmlische Wunder

Himmlische Wunder

Titel: Himmlische Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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gern können«, sagte ich.
    »Versuch’s doch mal. Du wirst dich wundern.«
    Natürlich hatte ich Glück. Heute war echt ein Ausnahmetag. Nicht mal Zozie konnte das vorher wissen. Aber ich fühlte mich irgendwie anders. Lebendiger. Als hätte der Wind gedreht.
    Zuerst konzentrierte ich mich auf Zozies Haltungsding. Ich hatte ihr versprochen, es auszuprobieren, und das habe ich getan. Ein paar Hemmungen hatte ich schon, als ich mich heute Morgen, mit frisch gewaschenen Haaren und eingehüllt in einen Hauch von Zozies Rosenparfüm, im Badezimmerspiegel anschaute und mein Killerlächeln übte.
    Ich muss sagen, so übel sah es gar nicht aus. Selbstverständlich nicht perfekt, aber es macht wirklich einen Riesenunterschied, wenn man sich aufrecht hinstellt und sagt, was man denkt (auch wenn es nur im Kopf ist).
    Ich sah auch anders aus, eher wie Zozie – eben wie eine Frau, die im Tea-Shop flucht und sich um nichts schert.
    Es ist keine Zauberei , sagte ich mit meiner Schattenstimme. Aus dem Augenwinkel sah ich Pantoufle, der ein bisschen vorwurfsvoll dreinschaute, fand ich. Seine Nase zuckte.
    »Ist schon gut, Pantoufle«, murmelte ich leise. »Es ist keine Zauberei. Es ist erlaubt.«
    Und dann kam Suze mit dem Kopftuch. Ich habe gehört, dass sie es tragen will, bis ihre Haare nachgewachsen sind. Aber dieses Tuch steht ihr überhaupt nicht. Sie sieht aus wie eine muffige Bowlingkugel. Und die anderen sagen Allah Akhbar , wenn sie vorbeikommt. Sogar Chantal hat gelacht, und Suze war sauer, und jetzt sind die beiden total verkracht.
    Und dann war Chantal in der Mittagspause mit ihren anderen Freundinnen zusammen. Suze wollte sich bei mir ausheulen, aber ich glaube, ich hatte einfach nicht genug Mitleid mit ihr, und außerdem habe ich mich sowieso mit jemand anderem unterhalten.
    Das bringt mich zum dritten Punkt.
    Es passierte heute Morgen, in der Pause. Die anderen spielten das übliche Tennisballspiel, alle außer Jean-Loup Rimbault, der wie immer las, und den anderen Außenseitern (hauptsächlich die Muslimmädchen), die nie bei irgendetwas mitmachen.
    Chantal warf den Ball gerade zu Lucie, als ich hereinkam, und sofort rief sie – Annie ist Es ! Alle lachten, warfen den Ball quer durchs Klassenzimmer und schrien: Hopp! Hopp!
    An jedem anderen Tag wäre ich darauf eingegangen. Es ist ja nur ein Spiel, und da ist es besser, Es zu sein, als gar nicht mitmachen zu dürfen. Aber heute übte ich ja Zozies Haltung.
    Ich überlegte: Was würde sie tun? Und mir war sofort klar, dass Zozie lieber tot umfallen würde, als Es zu sein.
    Chantal rief immer noch: »Hopp, hopp, Annie, hopp!«, als wäre ich ein Hund. Für einen Moment schaute ich sie an, als hätte ich sie noch nie gesehen.
    Ich hatte sie immer irgendwie hübsch gefunden, muss man wissen. Sie müsste eigentlich hübsch sein, denn schließlich beschäftigt sie sich die ganze Zeit mit ihrem Äußeren. Aber heute konnte ich ihre Farben sehen. Und die Farben von Suzanne. Es ist lange her, dass ich sie das letzte Mal gesehen habe, deshalb starrte ich die beiden an, ich konnte gar nicht anders – und ich wunderte mich, wie hässlich sie waren, wie abgrundtief hässlich.
    Die anderen müssen etwas gemerkt haben, denn Suze ließ den Ball fallen, und niemand hob ihn auf. Stattdessen bildeten alle einen Kreis, als läge Streit in der Luft oder als gäbe es etwas Besonderes zu sehen.
    Chantal ärgerte sich, weil ich sie so anstarrte. »Was ist denn mit dir los?«, sagte sie. »Weißt du nicht, dass es unhöflich ist, Leute anzuglotzen?«
    Ich lächelte und hörte nicht auf zu starren.
    Da sah ich, wie Jean-Loup hinter ihr von seinem Buch aufblickte. Mathilde schaute auch zu uns, mit offenem Mund; Faridah und Sabine hatten aufgehört, sich in ihrer Ecke zu unterhalten, und Claude lächelte, wenigstens ein kleines bisschen – so wie man lächelt, wenn es regnet und die Sonne unerwartet eine Sekunde herauskommt.
    Chantal warf mir einen ihrer typischen Verachtungsblicke zu. »Nicht alle Leute können es sich leisten, ein richtiges Leben zu führen. Ich nehme an, du musst irgendwie selbst für deine Unterhaltung sorgen.«
    Tja – ich wusste, was Zozie darauf erwidert hätte. Nur bin ich leider nicht Zozie; ich hasse Szenen, und eigentlich wollte ich mich nur an meinen Platz setzen und mich hinter einem Buch verstecken. Aber ich hatte versprochen, es zu versuchen, also straffte ich mich, schaute ihr in die Augen und beschoss sie alle mit meinem Killerlächeln.
    »Verpisst

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