Himmlische Wunder
Hände in Schalen mit Plakafarbe zu tunken und den Stuhl zu betatschen, und als sie damit fertig waren, sah der Stuhl so lustig aus, dass wir es mit den anderen Stühlen und mit dem kleinen Secondhandtisch, den Zozie für den Laden mitgebracht hat, genauso machten.
»Was ist los? Machen Sie etwa zu?«
Das war Alice, das blonde Mädchen, das fast jede Woche vorbeikommt, aber nie etwas kauft. Sonst sagt sie kein Wort, aber die gestapelten Möbel, die Tücher und die bunten Stühle auf der Straße brachten sie zum Sprechen.
Als ich lachte, schien sie kurz zu erschrecken, aber sie blieb trotzdem da und studierte Rosettes Handarbeit (und nahm zur Feier des Tages sogar eine selbst gemachte Trüffel an, ein Geschenk desHauses). Ich glaube, sie mag Zozie, die schon ein paar Mal mit ihr im Laden geredet hat, aber vor allem liebt sie Rosette. Sie kniete neben ihr auf dem Fußboden nieder, um ihre kleinen Hände an Rosettes noch kleinere, mit Farbe verschmierten Hände zu halten.
Dann kamen Jean-Louis und Paupaul, die ebenfalls erfahren wollten, was bei uns los war. Die nächsten waren Richard und Mathurin vom Le P’tit Pinson . Dann erschien Madame Pinot, die um die Ecke wohnt; sie tat zwar so, als müsste sie irgendwohin, warf aber sehr neugierige Blicke auf das bunte Chaos vor der Chocolaterie .
Schließlich kam auch der fette Nico und kommentierte mit seinem üblichen Überschwang das neue Aussehen des Ladens. »Hallo – Gelb und Blau! Meine absoluten Lieblingsfarben! War das Ihre Idee, Schuhkönigin?«
Zozie lächelte. »Wir haben es alle zusammen gemacht.«
Heute war sie barfuß und stand mit ihren langen, wohlgeformten Füßen auf der wackeligen Leiter. Unter dem Schal lugten ein paar Haarsträhnen hervor, ihre nackten Arme waren so mit Farbe verschmiert, dass man denken konnte, sie trüge extravagante Handschuhe.
»Sieht aus, als hätte es Spaß gemacht«, murmelte Nico fast traurig. »Die kleinen Babypfötchen.« Er bog seine großen, blassen Patschhände zurück, und seine Augen glänzten. »Das würde ich auch gern mal ausprobieren, aber ich glaube, der Stuhl ist schon fertig, oder?«
»Sie können gleich loslegen«, sagte ich und zeigte auf die Schalen mit Plakafarben.
Er streckte die Hand aus. Da war diese Schale mit roter Farbe, die inzwischen allerdings schon ein bisschen getrübt war. Nach kurzem Zögern tunkte er schnell die Fingerspitzen hinein.
»Fühlt sich gut an«, verkündete er mit einem fröhlichen Grinsen. »Wie wenn man Tomatensoße ohne Löffel mischt.« Beim zweiten Anlauf bedeckte die Farbe schon seine Handfläche.
»Hier«, sagte Anouk und deutete auf einen der Stühle. »Rosette hat eine Stelle übersehen.«
Tja, wie sich herausstellte, hatte Rosette ganz viele Stellen übersehen,und danach blieb Nico noch eine Weile da, um Anouk mit den Schablonen zu helfen, und Alice blieb ebenfalls da und schaute zu. Ich kochte Schokolade für alle, und wir tranken sie wie die Zigeuner, draußen auf den Stufen, und als eine Gruppe japanischer Touristen vorbeikam und uns alle fotografierte, wie wir da hockten, konnten wir uns nicht mehr halten vor Lachen.
Wie Nico gesagt hatte: Es fühlte sich gut an.
»Weißt du was?«, sagte Zozie, als wir die Farben wegräumten und den Laden für den nächsten Morgen vorbereiteten. »Der Laden braucht einen Namen. Da oben hängt ein Schild –«, sie zeigte auf die schmale Holztafel über dem Eingang, »– aber es sieht nicht so aus, als hätte in den letzten Jahren etwas daraufgestanden. Was meinst du, Yanne?«
Ich zuckte die Achseln. »Du meinst, falls die Leute nicht kapieren, was für ein Laden das hier ist?« Natürlich wusste ich genau, worauf sie hinauswollte. Aber ein Name ist nie nur ein Name. Wenn man eine Sache benennt, heißt das, dass man ihr Macht verleiht und ihr eine emotionale Bedeutung zuweist, die mein kleiner Laden bis jetzt noch nicht hatte.
Zozie hörte mir gar nicht zu. »Ich glaube, ich kriege das hin. Soll ich?«
Ich zuckte wieder die Achseln. Irgendwie fühlte ich mich nicht wohl bei der Sache. Aber Zozies Augen leuchteten vor Eifer, und überhaupt war sie so nett gewesen, dass ich nachgab. »Meinetwegen«, sagte ich. »Aber nichts Ausgefallenes. Einfach nur Chocolaterie . Nichts irgendwie Kitschiges.«
Im Grunde meinte ich natürlich Nichts wie in Lansquenet . Keine Namen, keine Sprüche. Es reichte schon, dass meine diskreten Renovierungspläne sich irgendwie in eine psychedelische Malaktion verwandelt hatten.
»Ja,
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