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Himmlische Wunder

Himmlische Wunder

Titel: Himmlische Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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wahrscheinlich nur um die typischen Auseinandersetzungen unter Kindern handelt, aber es macht mich trotzdem traurig, wenn ich denke, dass Anouk ausgeschlossen wird.
    Ich bemühe mich so, dafür zu sorgen, dass sie sich anpassen kann. Immer wieder habe ich Suzanne eingeladen, ich habe Kinobesuche arrangiert, aber nichts scheint zu helfen. Es ist, als würde eine Mauer Anouk von den anderen Kindern trennen, eine Mauer, die von Tag zu Tag unüberwindbarer wird.
    Aber heute war es irgendwie anders, und als sie ging (mit raschen Schritten, wie immer), hatte ich das Gefühl, ich sehe die alte Anouk, wie sie in ihrem roten Mantel über den Platz rennt, mit wehenden Haaren, die aussehen wie eine Piratenflagge, während ihr ein hüpfender Schatten auf den Fersen folgt.
    Ich wüsste schon gern, mit wem sie sich trifft. Nicht mit Suzanne, so viel ist sicher. Aber heute liegt etwas in der Luft, ein neuer Optimismus, der meine Sorgen leichter macht. Vielleicht istes die Sonne, die endlich wieder scheint, nach einer Woche voller Wolken. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass wir, zum ersten Mal seit drei Jahren, alle Geschenkpackungen verkauft haben. Oder es ist der Schokoladenduft und die wunderbare Erfahrung, wieder zu arbeiten, mit den Töpfen und Keramikformen zu hantieren und zu spüren, wie die Granitplatte unter meinen Händen warm wird, und diese einfachen kleinen Schätze herzustellen, die den Menschen solche Freude machen …
    Warum habe ich mich so lange dagegen gesperrt? Könnte es sein, dass es mich immer noch zu stark an Lansquenet erinnert – an Lansquenet und Roux, an Armande und Joséphine und sogar an den Priester Francis Reynaud – an all diese Menschen, deren Leben sich verändert hat, nur weil ich zufällig vorbeigekommen bin.
    Alles kommt wieder zu einem zurück , sagte meine Mutter immer. Jedes Wort, das man spricht, jeder Schatten, den man wirft, jede Fußspur im Sand. Daran kann man nichts ändern, es gehört zu uns, zu uns Menschen. Warum sollte ich jetzt davor Angst haben? Warum sollte ich überhaupt vor irgendetwas Angst haben?
    Wir haben uns in den letzten drei Jahren sehr bemüht. Wir haben durchgehalten. Wir haben den Erfolg verdient. Endlich spüre ich, dass der Wind dreht. Und das haben wir bewirkt. Ohne Zaubertricks, ohne Magie – einfach nur durch harte Arbeit.
    Thierry ist diese Woche wieder in London, um sein Bauprojekt in King’s Cross zu beaufsichtigen. Heute Morgen hat er Blumen geschickt; einen riesigen Strauß gemischte Rosen, mit Raffiahbast umwickelt und dazu eine Karte, auf der stand:
    Für meine Lieblingstechnophobikerin – in Liebe, Thierry .
    Was für eine niedliche Geste – altmodisch und nur ein klein wenig kindlich, genau wie die Milchschokolade, die er mag. Ich hatte Schuldgefühle, als mir auffiel, dass ich in der Hektik der letzten beiden Tage kaum an ihn gedacht habe. Und sein Ring liegt seit Samstagabend in der Schublade, er ist so unpraktisch, wenn man Pralinen macht.
    Aber Thierry wird sich freuen, wenn er den Laden sieht und merkt, wie gut wir vorankommen. Er versteht nichts von Pralinen,seiner Meinung nach ist Schokolade etwas für Frauen und Kinder. Und er hat auch noch nicht mitbekommen, dass hochwertige Schokolade in den letzten Jahren enorm an Beliebtheit gewonnen hat. Deshalb fällt es ihm schwer, die Chocolaterie als ernsthaftes Projekt zu betrachten.
    Klar, wir stehen noch ganz am Anfang. Aber Thierry, ich verspreche dir eins: Du wirst ganz schön staunen, wenn du kommst.
    Gestern haben wir angefangen, die Ladenräume zu renovieren. Das war auch wieder Zozies Idee, nicht meine, und zuerst jagte mir die ganze Aktion Angst ein, Angst vor der Unordnung – aber mit Zozies Hilfe und weil auch Anouk und Rosette sich beteiligten, wurde aus etwas, das eine fürchterliche Quälerei hätte sein können, ein verrücktes Spiel. Zozie stand oben auf der Leiter und strich die Decke, die Haare mit einem grünen Schal zurückgebunden, das halbe Gesicht mit gelber Farbe verschmiert; Rosette attackierte mit ihrem kleinen Pinsel die Möbel, während Anouk mit einer Malerschablone blaue Blumen, Spiralen und Tierformen auf die Wand malte. Die Stühle standen, mit Tüchern bedeckt und mit Farbe bekleckert, draußen in der Sonne.
    »Das macht nichts, die streichen wir auch noch«, sagte Zozie, als wir auf einem der alten weißen Küchenstühle Farbspuren von Rosettes kleinen Händen entdeckten. Und so kam es, dass Rosette und Anouk sich einen Spaß daraus machten, die

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