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Himmlische Wunder

Himmlische Wunder

Titel: Himmlische Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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alles nichts. Was ja eigentlich nicht weiter überrascht. Ich versuchte also, mich anzupassen, tauschte meine Latzhosen gegen Jeans und T-Shirt, fing an zu rauchen, hing mit den richtigen Leuten rum, aber es war bereits zu spät. Das Urteil war gefällt. Jede Schule braucht ihren Freak; und während der nächsten fünf Jahre oder so hatte ich diese Rolle.
    Damals hätte ich jemanden wie Zozie de l’Alba gut gebrauchen können. Was nützte mir meine Mutter, diese zweitklassige, nach Patschuli riechende Möchtegernhexe, mit ihren Kristallkugeln,ihren Traumfängern und dem ganzen Karmageschwätz? Karmische Vergeltung interessierte mich nicht. Ich wollte echte Strafmanöver, ich wollte, dass es meinen Peinigern schlecht erging, aber nicht später, nicht in irgendeinem zukünftigen Leben, sondern jetzt gleich.
    Also lernte ich, und ich lernte viel. Mithilfe der Bücher und Schriften aus dem Laden meiner Mutter entwarf ich mir ein Curriculum. Das Ergebnis war mein eigenes System, bei dem jedes einzelne Element sorgfältigst ausgearbeitet war, fein geschliffen, gespeichert und eingeübt und nur auf ein Ziel ausgerichtet.
    Rache.
    Ich nehme nicht an, dass Sie sich an den Fall erinnern. Er kam damals in den Nachrichten, aber es gibt inzwischen so viele ähnliche Geschichten, Geschichten von ewigen Verlierern, die sich mit Pumpguns in die Geschichte ihrer Schule schießen, mit einem einzigen blutigen, gloriosen, selbstmörderischen Rundumschlag.
    Bei mir war das natürlich anders. Meine Helden waren nicht Butch Cassidy und Sundance Kid. Ich war eine Überlebende, eine verwundete Veteranin, mit fünf Jahren Foltererfahrung: Gechubse, Beschimpfungen, Prügel, Erniedrigungen, Spott, Quälereien aller Art, Vandalismus, kleine Diebstähle. Ich war die Zielscheibe gehässiger Kritzeleien an den Wänden der Umkleidekabine, ich war überhaupt der Schuhabstreifer für alle.
    Kurz gesagt: Ich war Es .
    Aber ich wartete auf den richtigen Augenblick. Ich las und lernte. Mein Lehrplan war unorthodox, manche Leute würden sogar sagen, profan, aber ich war immer die Beste in meiner Klasse. Meine Mutter wusste so gut wie nichts von meinen Forschungsarbeiten. Wenn sie etwas herausgefunden hätte, wäre sie schockiert gewesen. Interventionistische Magie, hätte sie geklagt, und das widersprach diametral ihren eigenen Überzeugungen. Für sie war völlig klar, dass den Menschen, die in ihrem eigenen Interesse zu handeln wagten, kosmische Vergeltung drohte.
    Tja. Ich habe es gewagt. Als ich schließlich so weit war, fegte ichdurch St. Michael’s-on-the-Green wie der Dezemberwind. Meine Mutter ahnte nichts, und das war gut so, denn sie wäre nicht einverstanden gewesen, da bin ich mir sicher. Aber ich habe es geschafft. Ich war erst sechzehn, und ich hatte das einzige Examen, das wirklich wichtig war, mit Bravour bestanden.
    Annie hat noch einen weiten Weg vor sich. Aber im Lauf der Zeit werde ich hoffentlich etwas ganz Besonderes aus ihr machen.
    Also, Annie. Wir kommen zum Thema Rache.

5

    M ONTAG , 19 . N OVEMBER
    Heute kam Suze mit Kopftuch in die Schule. Anscheinend hatte ihr Friseurbesuch zur Folge, dass ihr die Haare büschelweise ausfielen. Eine Glatze statt schicker Strähnchen. Das sei eine Reaktion auf das Wasserstoffsuperoxyd, meinte ihre Friseurin. Suze hatte ihr gesagt, sie habe schon früher Strähnchen gehabt, aber das war gelogen, und jetzt sagt die Friseurin, es ist nicht ihre Schuld, denn Suzannes Haare waren schon vorher kaputt, weil Suze sie immer gebügelt und geglättet hat, und wenn Suzanne ihr gleich die Wahrheit gesagt hätte, dann hätte sie eine andere Tinktur verwendet, und dann wäre das alles nicht passiert.
    Suzanne sagt, ihre Mutter will das Friseurgeschäft verklagen, wegen seelischer Grausamkeit.
    Ich finde das doof.
    Ich weiß, ich sollte es nicht doof finden – Suzanne ist schließlich meine Freundin. Aber sie ist ja nicht richtig meine Freundin. Eine Freundin setzt sich für einen ein, wenn man Probleme hat, und sie unterstützt nicht die Leute, die gemein zu einem sind. Freunde geben etwas , sagt Zozie. Bei echten Freunden ist man nie Es .
    In letzter Zeit habe ich viel mit Zozie geredet. Sie weiß, wie es ist, wenn man so alt ist wie ich und wenn man anders ist. Ihre Mutter hatte einen Laden, sagt sie. Manche Leute aus ihrer Schule hatten etwas gegen diesen Laden, und einmal hat sogar jemand versucht, ihn in Brand zu setzen.
    »So was Ähnliches ist uns auch passiert«, sagte ich, und dann musste ich

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