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Hin u Weg - Verliebe Dich Ins Leben

Hin u Weg - Verliebe Dich Ins Leben

Titel: Hin u Weg - Verliebe Dich Ins Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Quarch
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welchen Reim ich mir auf die Erfahrung der Trennung, der Probleme, der Irrungen und Wirrungen unserer Liebe heute mache – Erfahrungen, die nicht nur unsere damalige Beziehung angehen, sondern auch die so vieler anderer Paare, die ich in meinem Umfeld erlebe und begleite.
    Du gestattest, dass ich dafür etwas weiter aushole. Ich möchte nämlich noch einmal auf die alte Geschichte des Komödiendichters Aristophanes zu sprechen kommen. Du erinnerst dich: Nachdem Zeus die Menschen im Zorn in eine männliche und weibliche Hälfte gespalten hat, laufen diese Hälften hintereinander her und suchen sich verzweifelt, weil sie sich nach dem ursprünglichen Ganz-Sein sehnen.
    Was geht uns das an? Eine ganze Menge. Denn was hier im komödiantischen Gewand des Mythos aufgetischt wird, ist für mich eine wichtige Einsicht in das Wesen des Verliebtseins – eine doppelte Einsicht, die im Übrigen von der modernen Psychologie bestätigt wurde:
1. Wir verlieben uns in den-/die-/dasjenige, der/die/das uns fehlt oder besser ergänzt. Und daraus ergibt sich:
2. Unser Verliebtsein ist getragen von einer Sehnsucht nach GanzSein, Vollständig-Sein, Vollkommen-Sein. Diese Sehnsucht ist uns nicht immer bewusst, aber dennoch ist sie wirksam. Und zwar mit großer Macht.
    Das heißt: Wenn ich mich verliebe, verliebe ich mich nicht aus Zufall in jemanden, der mir gerade über den Weg läuft, sondern ich verliebe mich in einen Menschen, bei dem ich ahne, dass er mir etwas geben kann, das mir fehlt – dass er meine Sehnsucht nach Ganzheit stillen kann. Das kann die unterschiedlichsten Aspekte des Daseins betreffen: Bei jungen Männern (mich seinerzeit eingeschlossen) habe ich wiederholt beobachtet, dass sie sich schlicht nach einer Frau sehnen, mit der sie Sex haben können, um so den in ihnen aufkeimenden Sexualtrieb zu integrieren. Bei jungen Frauen kann es sein, dass in ihnen die Sehnsucht nach Zweisamkeit und Geborgenheit die treibende Kraft des ersten Verliebtseins ist. In einer eher psychologischen Sprache würde ich sagen: Es ist das nie endende Bedürfnis, die männliche oder weibliche Energie der oder des Geliebten aufzusaugen, um so in ein inneres Gleichgewicht von Männlich und Weiblich zu kommen. Vielleicht ist es auch ein subtiles Bewusstsein dessen, dass meine Partnerin oder mein Partner Potenziale in mir freisetzen kann, die sonst schlummern würden. Vieles mehr könnte im Hintergrund unseres Verliebseins stecken, aber eines ist daran immer gemeinsam: Es geht darum, den eigenen Mangel auszugleichen; darum, aus zwei unvollständigen Einzelnen ein sich ausbalancierendes Ganzes zu machen. Es geht darum, zur Blüte des Lebens zu kommen – ganz, rund, satt und glücklich zu sein.
    Aber – oje, jetzt kommt das große Aber – in dieser Sehnsucht nach Ganz-Sein liegt wohl die größte Falle auf dem Weg dahin, wirklich ganz, vollkommen, satt und glücklich zu sein. Warum? – Weil sich die Sehnsucht, die mich treibt, danach richtet, wer eigentlich das „Ich“ ist, dem diese Sehnsucht eignet. Und ich glaube, dieses Ich in mir und in dir war es, was damals alles so schwierig machte, dass es irgendwann nicht mehr ging. Dann kam die Katastrophe, dann kamen Liebeskummer und Schmerz und mit ihnen ein Fortschritt, eine echte Entwicklung, für die ich dankbar bin. Denn mit der Zeit habe ich gelernt, dieses Ich nicht mehr so wichtig zu nehmen; mich nicht mehr so sehr an das Ich meiner Liebsten zu klammern; freier zu werden – zu lieben, ohne besitzen zu müssen. Denn daswar es, was du mir (tatsächlich nicht ganz schmerzfrei) beibrachtest: dass ich dich lieben kann, ohne dich haben zu müssen. Dass es eine in sich freie, reife, erwachsene Liebe gibt, die zwar das ichhafte Begehren, nicht aber ihre Schönheit und Lebendigkeit einbüßt, sondern ganz im Gegenteil gerade da ihre Schönheit und Lebendigkeit entfaltet, wo das Begehren, das Haben-Wollen des Ich zurücktritt oder endet.
    Ich will damit sagen: Je nachdem, wer ich bin, wo ich stehe und wie weit ich mich auf meiner Lebensbahn bereits vorgearbeitet habe, wird sich mein Bedürfnis nach Ganzheit anders darstellen. Je reifer und erwachsener ich werde, desto reifer und erwachsener wird auch mein Verliebtsein. Und umgekehrt: Je reifer und erwachsener mein Verliebtsein, desto reifer und erwachsener werde ich auch als Mensch. Nur sind wir am Anfang unseres Lebenswegs nicht reif. Unsere Persönlichkeitsstruktur bildet sich erst langsam heraus. Wir stecken voller unbewusster,

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