Hin u Weg - Verliebe Dich Ins Leben
ist meist in Vergessenheit geraten. Wenn ich mich auf ihn konzentriere, dann nicht, um die anderen beiden Wege in Misskredit zu bringen. Ich glaube, wir brauchen alle drei Wege. Wobei dem erotischen deshalb eine besondere Bedeutung zukommt, weil er die Lebensenergie in uns auf besondere Weise aktiviert.
Die psychologischen oder therapeutischen Wege haben ihre große Stärke darin, dass sie unser Inneres aufräumen. Sie lenken unseren Blick auf die Verstrickungen und Verschattungen, die jeder mit sich trägt. Sie suchen deren Ursprünge und bringen so Klarheit über die Faktoren, aus denen sich unser Ich entwickelt hat. Und indem sie diese Faktoren ins Bewusstsein rufen, verlieren diese ihre Macht über uns. Wir sind dann nicht mehr Spielbälle unserer eigenen Geschichte und der in uns wirksamen untergründigen Energien, sondern werden langsam, aber sicher Herr im eigenen Haus. Darin liegt die Chance, das innere Gleichgewicht wiederzugewinnen. Das Ich wird stimmiger – es arbeitet nicht länger gegen die Seele, wenn es seine Schatten integriert und seine Verstrickungen löst. So können wir auf diesen Wegen auch dahin kommen, den Ruf unserer Seele wieder klarer zu vernehmen und zur Blüte unseres Lebens zu finden. Psychologie und Psychotherapie, um es in unserem Bild zu sagen, haben ihre Stärke darin, dass sie die Ich-Oberfläche unserer selbst durchsichtig machen bzw. dass sie uns zu Bewusstsein bringen, dass diese Oberfläche oft nichts anderes als die Projektionsfläche dessen ist, was unbewusst in unserer Seele schlummert. Und das ist für ein gelingendes und erfülltes Leben äußerst wichtig.
Psychologie und Psychotherapie klären das Ich auf und schaffen damit eine gute Voraussetzung, um den Weg in die Liebe zu bahnen. (Sicher kein Zufall, dass in psychologischen oder therapeutischen Kursen so viele Liebesgeschichten ihren Anfang nehmen …Je undurchsichtiger unsere Ich-Krusten, je fester unsere Verstrickungen und je hartnäckiger unser Schatten, desto mehr brauchen wir diese Arbeit.
Aber allein damit ist es nicht getan. Denn oft bleiben wir auf diesem Weg doch an der Oberfläche unseres Ich zurück, das sich nun zwar besser versteht und virtuos über seine Probleme zu reden vermag – das sich aber dennoch nicht fallen lassen kann: hinein in die Liebe, hinein ins Herz. Es braucht dafür noch mehr. Es braucht die Empfänglichkeit für den Eros, das Hineinfallen in die Liebe, das Bewusstwerden unserer Verbundenheit mit allem.
Wenn die Krisen uns schütteln, sind psychologische und therapeutische Wege sicher richtig. Denn sie schaffen die Voraussetzungen für diese Empfänglichkeit. Aber sie allein bringen unsere Zellen nicht dazu, zu vibrieren und zu pulsieren. Dafür braucht es mehr.
Ähnlich ist es mit den spirituellen Wegen. Auch sie sind wichtig. Denn sie bahnen uns den Weg aus der Fixierung aufs Ich hinaus in die vierte, mystische Dimension unseres Lebens: die Dimension des Geistes, des Göttlichen, des Unendlichen. Und weil sie uns die Erfahrung des Unendlichen und Göttlichen erschließen, öffnen sie uns auch den Zugang zu dieser unendlichen, grenzenlosen Liebe, die die eigentliche Qualität des Göttlichen ist. Ob dies nun durch das Herzensgebet, das Sitzen in der Stille, den Drehtanz der Sufis, die Schwitzhüttenzeremonie, die Pilgerschaft, Niederwerfungen oder die Feier der Heiligen Kommunion geschieht, ist dabei nebensächlich: Stets geht es darum, uns aus den beschränkten Grenzen unseres Ich hinauszutragen in die Dimension des Göttlichen, der sich all unser Sein und Leben verdankt – und die wir (in der vierten Dimension) zuletzt immer (auch) sind.
Jeder Mensch, der einen dieser Wege geht, weiß von dem Zauber, der ihnen innewohnt. Wer je das Eins-Sein mit dem Göttlichen und Unendlichen schmeckte, wird dies nie vergessen. Er trägt fortan diesen Geschmack auf seinen Lippen, der ihn ahnen lässt, was seine Seele erwartet, wenn sie den Beschränkungen von Raum und Zeit entkommen ist; wenn unser individuelles Dasein auf Erden endet und von den ehemals vier Dimensionen nur noch eine oder zwei übrigbleiben. Das ist auch der Grund dafür, dass spirituelle Wege wie etwa Zen zu Recht in Aussicht stellen, Erfahrungen zu eröffnen, die uns die Angst vor dem Tode nehmen, indem sie uns zu einem „transpersonalen“ Bewusstsein leiten.
So haben es viele spirituelle und mystische Schulen auf je unterschiedliche Weise über die Jahrhunderte vermocht, Wege und Praktiken zu entwickeln, die unsere
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