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Hin u Weg - Verliebe Dich Ins Leben

Hin u Weg - Verliebe Dich Ins Leben

Titel: Hin u Weg - Verliebe Dich Ins Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Quarch
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Entwicklung im Wege steht. Diese Einsicht tut weh, und der auf sie folgende Schnitt ist meistens schmerzhaft; aber dieser Schmerz ist nicht schlimm, sondern er ist ganz wahr und ganz echt und ganz ehrlich. Es ist ein Schmerz, für den dankbar sein darf, wer ihn erleidet. Denn er zeigt dir, dass du ein lebendiger Mensch bist. Nimm es als Zeichen deiner eigenen Seelengröße, dass du ihn annehmen kannst.
    Es kommt einfach darauf an, ob du diesen Schmerz konstruktiv nutzen kannst. Denn es steckt viel Liebesenergie in ihm. Er ist ein Pfeil in deinem Herzen. Doch nicht das Herz ist verwundet, sondern das Ich. Das Ich will diesen Schmerz nicht und zürnt und tobt, um ihn loszuwerden. Das Herz hingegen weiß sich berührt. Es weiß darum, dass sich in dieser Wunde die Liebe bekundet, und scheut diese Verletzlichkeit nicht. Denn aus der Verletzlichkeit erwächst ihm neue Kraft und Energie. Deshalb sind wir so gut beraten, dem Schmerz nicht auszuweichen und wehrlos zu sein.
    Wenn wir jedoch umgekehrt unserem Schmerz ausweichen, uns nicht durch ihn berühren lassen, dann werden wir weder aus ihm lernen, noch wird er uns helfen, unser Ich zu transformieren und mehr Tiefe in unser Leben zu bringen. Stattdessen werden wir uns in die nächste Beziehung stürzen und dann wieder in eine nächste. Wir werden an der Oberfläche unseres Lebens bleiben, auf der Ich-Oberfläche hektisch hin und her hüpfen – aber wir werden nicht reifen, werden nicht unsere Tiefe ausloten und die prickelnde Intensität des Lebens erleben.
    Ein ans Herz genommener, ein angenommener Schmerz hingegen beginnt dich zu wandeln. Er lässt dich reifen und weist dir den Weg zu einer neuen Tiefe – einer Tiefe, die dich in der nächsten Beziehung sehr viel beherzter, mutiger und bewusster lieben lassen wird. Deshalb ist Trennungsschmerz für die erotische Reife wichtig. Deshalb ist Liebeskummer wichtig. Sie lassen dich in der Liebe reifen – und zwar in dem Maße, in dem du dich der Verbundenheit mit dem geliebten Menschen gerade in Schmerz und Kummer bewusst bist.
    In der Liebe sein heißt berührbar sein, heißt wehrlos sein, heißt verletzlich sein: Ich lasse es zu, dass die Welt mich berührt. Ich lasse mich bewegen und bin ansprechbar – ganz gleich ob für Freunde oder Fremde. Ich lasse mich berühren von dem Junkie in der Fußgängerzone oder von dem weinenden Kind auf dem Spielplatz, von einem Krebspatienten oder von den Nachrichten im Fernsehen. Das alles macht mich nicht glücklich, aber es geht mir nahe, sehr nahe. Es bekümmert mich, ja, es bereitet mir Liebeskummer. Wenn das Leben und die Menschen, denen ich mich verbunden fühle, leiden, dann leide ich mit. Es bekümmert mich. Ich bin nicht moralisch entrüstet oder klage andere an; nein, ich empfinde Liebeskummer. Und dieser Liebeskummer bringt mich ins Handeln.
    Ein in der Liebe gereifter Mensch kann seinen Liebeskummer in Aktion transformieren. Er kann daraus eine Kraft des Handelns generieren, die um ein Hundertfaches stärker und intensiver ist als die durch moralische Überzeugung motivierte Tat. Sein Handeln ist ein beherztes Handeln, ein Handeln aus einem entflammten – wenn auch verwundeten – Herzen.
    Trennungsschmerz und Liebeskummer hören nie endgültig auf. Sie hören auch nicht auf, wenn ich in der Energie des Herzens bin und mich mit allem und allen verbunden weiß. Den Trennungsschmerz gibt es so lange, wie es ein Gegenüber meiner Liebe gibt. Und als Verliebter habe ich immer ein Gegenüber, auf das sich meine Liebe bezieht – und sei es das Leben im Ganzen, und sei es Gott. Selbst wenn ich zuweilen in ekstatischen mystischen Momenten das Glück des Eins-Seins mit Gott und der Welt erleben darf – zuletzt bleibe ich doch immer der individuelle, auf mich geworfene Mensch, der ich nun einmal bin. Das ist die tragische Komponente, die dem Eros innewohnt: Er liebt ein Gegenüber, mit dem ich zeitlebens nie dauerhaft eins sein werde. Ich kann mich zwar verbunden wissen mit allem, aber deshalb bin ich noch nicht eins mit allem. Und das verursacht einen unstillbaren Trennungsschmerz.
    Doch diesen Trennungsschmerz – und das ist das größte Wunder des Eros –, diesen Liebenskummer kann ich an mein liebendes Herznehmen und ihn annehmen. Eben das wäre die höchste Weihe der erotischen Lebenskunst: diese Tragik des eigenen Lebens und Liebens liebend anzunehmen. Das kann nur Eros, und deswegen ist er es allein, der unser Leben zu seiner Größe und Fülle wachsen und gedeihen zu

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