Hingabe
schnappe ich mir meine Handtasche, stelle sie mir auf den Schoß und halte sie fest. Ich kämpfe gegen den Drang, mich umzudrehen, um hinter mich zu schauen, aus Furcht davor, unhöflich zu sein oder den Mann neben mir rohes Fleisch essen zu sehen. Unruhig rutsche ich auf meinem Sitz hin und her. Ich bin in einem neuen Land, nur Tage nachdem Ava versucht hat, mich umzubringen, um nur einen meiner jüngsten Albträume zu erwähnen. Das macht mich wohl paranoid. Das ist alles, was dahintersteckt. Mehr nicht.
Nur dass mein Verlangen, mich umzudrehen, intensiv ist – sogar überwältigend.
Die Kellnerin geht davon, und ich überwinde mich. »Ich gehe zu den Waschräumen«, verkünde ich und stehe auf. Wenn ich zurückkomme, werde ich prüfen können, wer hinter mir sitzt.
»Toilette«, korrigiert Chantal, indem sie es laut hinter mir herruft.
Ohne mich umzudrehen, winke ich zum Zeichen, dass ich verstanden habe. Glücklicherweise finde ich die Toilette mühelos. Da niemand sonst in dem Raum mit den zwei Kabinen ist, stütze ich mich mit den Händen auf dem Waschbecken ab und starre mich an. Ich sehe eine zu blasse Brünette, die die unkultivierteste Person auf dem Planeten ist. Ich kann nicht einmal eine Mahlzeit in Paris genießen.
Meine Beunruhigung droht aus dem Ruder zu laufen und sich in alle möglichen Richtungen auszuweiten. Was, wenn ich Paris hasse, während Chris es liebt und hier leben will? Selbst wenn ich ihn dazu überrede, mit mir in die Staaten zurückzukehren – wird er sich dort nicht so fühlen, wie ich mich hier fühle? Nein. Nein. Er mag die Staaten. Aber trotzdem, er will hier sein.
Ich schüttele den Kopf. Das ist verrückt. Ich reagiere über. Nur weil ich mich nicht sofort in Paris verliebe, heißt das nicht, dass ich nicht hierher passen kann oder es mögen werde. Mit Chris werde ich es mögen. Dessen bin ich mir sicher. Sehr sicher.
Da ich seine Stimme hören muss, aber weiß, dass das im Moment nicht möglich ist, krame ich mein Telefon heraus, um ihm eine SMS zu schicken. So kann er antworten, wenn er eine Pause in seiner Sitzung hat.
Isst du Tatar, auch bekannt als rohes Fleisch?
Ich hasse es,
kommt seine prompte Antwort.
Meine Schultern entspannen sich, und ich lächele über die schnelle Antwort und seine Bemerkung.
Schnecken?
Kein Fan.
Fisch?
Kommt drauf an.
Ich bin allergisch dagegen,
tippe ich, nicht sicher, ob ich ihm das jemals erzählt habe.
Mein Telefon klingelt, und ich habe ein schlechtes Gewissen, als ich Chris’ Nummer sehe. »Entschuldige. Ich hätte dich nicht stören sollen.«
»Du störst mich nicht. Ich brauchte eine Pause von den Egos, die im Begriff standen, die Türen des Konferenzraums zu sprengen. Wo bist du?«
»In irgendeinem Restaurant, dessen Namen ich nicht aussprechen kann. Ich kann auch die Speisekarte nicht lesen, und ich glaube nicht, dass sie mir besser gefallen würde, wenn ich es könnte.«
»Keine Sorge, Baby. Wir Amerikaner, die wir in Paris leben, kennen alle Lokale, die das kochen, was wir mögen. Es wird besser sein, wenn du mit mir zusammen bist.«
Er hat recht. Das wird es. Die Zeit, die ich mit ihm zusammen bin, wird wunderbar sein. Aber der Rest … »Ich weiß, du hast recht.«
Es folgt eine kurze Pause, und er sagt: »Du weißt es nicht, nicht wahr?«
»Doch.«
»Du überzeugst mich nicht.«
»Ich mag bisher nur das Essen nicht. Mehr ist es nicht.«
»Ich mag das Essen auch nicht.«
Ich beobachte im Spiegel, wie sich meine Brauen zusammenziehen. »Du bist manchmal so verwirrend.« Das ist er sogar oft, aber das behalte ich für mich. »Wenn du das Essen nicht magst, warum willst du dann hier leben? Essen ist so ein großer Teil des Lebens.«
Lastendes Schweigen folgt, und dann: »Sara …«
Er bricht beim Erklingen einer Männerstimme ab, die auf Französisch schnell etwas sagt. Ich höre Chris dem Mann in einem Ton antworten, der klarmacht, dass er nicht erfreut ist, und wieder plagen mich Gewissensbisse. Ich fühle mich seicht und selbstsüchtig, weil ich ihn mit unwichtigen Dingen behellige.
»Sara …«, beginnt er von Neuem, aber ich lasse ihn nicht aussprechen.
»Es tut mir leid. Du musst dich um ein Geschäft kümmern, und ich unterbreche dich.«
»Du störst mich nicht.«
»Tue ich doch, und ich liebe dich, Chris, und ich mag rohen Hamburger nicht. Dich mag ich. Dass du dich dort einbringst, ist vielversprechend für das Museum und für deine Wohltätigkeitsorganisation. Ich glaube an das, was du tust,
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