Hinreißend untot
Gesicht. Ich wusste nicht, ob er mir galt oder dem Brötchen, und deshalb ging ich nicht darauf ein. »Wir haben schon einmal bei einer Sache zusammengearbeitet, und das können wir erneut. Ich schlage vor, wir tun uns zusammen, um mit unserem gemeinsamen Dilemma fertig zu werden.«
»Sie hegen einen Groll gegen Tony? Seit wann?« Ausgerechnet jetzt, na so ein Zufall.
»Der Kreis hat einen Haftbefehl ausgestellt, aber darum geht es mir nicht.« Ich knüllte das Brötchenpapier zusammen, warf es nach dem Abfallkorb und verfehlte ihn. »Um was dann?«
Pritkin trank einen Schluck aus einer der Cokes, die Mac herumgereicht hatte, und schnitt eine Grimasse. »Ich möchte, dass Sie mir dabei helfen, die Sibylle namens Myra zurückzuholen«, sagte er.
»Wie bitte?« Ich starrte ihn an. Es war beunruhigend und verdächtig, dass der erste Name auf meiner Liste auch bei Pritkin ganz oben stand. »Bisher hat sich bei keinem unserer Suchzauber etwas ergeben, woraus wir schließen, dass sie sich im Feenland versteckt, wo unsere Magie nicht funktioniert. Als Gegenleistung für Ihre Hilfe verspreche ich Ihnen, Sie nicht vor den Silbernen Kreis zu bringen und Ihnen dabei zu helfen, mit Ihrem früheren Herrn zurechtzukommen.«
Ich kniff die Augen zusammen. »Ich weiß nicht einmal, wo ich anfangen soll. Erstens: Sie bringen mich nirgends hin. Und zweitens: Warum sollte ich Ihnen dabei helfen, meine Rivalin zurückzuholen? Damit der Kreis mich töten und sie zur Pythia machen kann? Aus irgendeinem Grund übt das kaum Reiz auf mich aus.«
»Der Kreis hat nicht vor, Sie durch Myra zu ersetzen«, erwiderte Pritkin grimmig. »Was den Rest betrifft: Machen Sie nicht den Fehler, Ihre eigenen Fähigkeiten zu überschätzen und meine zu unterschätzen. Wenn ich Sie gefangennehmen wollte, hätte ich das längst getan. Und wenn nicht … Früher oder später würde Sie jemand erwischen. Der Kreis wird nie aufhören, Sie zu jagen, und er braucht nur einmal Glück zu haben. Für Sie sieht die Sache anders aus. Sie müssen alle seine Fallen meiden, und das mit einem sehr begrenzten Wissen über die magische Welt. Nur mit meiner Hilfe können Sie hoffen, dem Schicksal zu entgehen, das der Kreis für Sie geplant hat – und für Myra.«
»Oh, klar. Die einzige voll ausgebildete Eingeweihte soll getötet werden. Warum bezweifle ich das?« Der Kreis wollte mich tot sehen, aber er hatte allen Grund, dafür zu sorgen, dass Myra bei bester Gesundheit blieb. Ein Krieg fand statt, und er brauchte die Hilfe, die eine gefügige Pythia leisten konnte. Pritkin sah zu Mac, der verdrießlich dreinschaute. »Einigen von uns ist in letzter Zeit eine besorgniserregende Tendenz bei der Führung des Kreises aufgefallen. Mit jedem verstreichenden Jahr scheint sie weniger an unserer traditionellen Mission und mehr an Macht interessiert zu sein. Die Silbernen haben sich immer von den Schwarzen unterschieden, nicht nur beim Erlangen von Macht, sondern auch bei ihrer Anwendung. Ich fürchte, das hat der Rat vergessen.«
Mac nickte. »Und jetzt hat er eine neue Pythia-Kandidatin, eine recht willige Eingeweihte. Man glaubt, dass sie die Macht erbt, wenn sowohl Sie als auch Myra sterben.« Er schüttelte den Kopf, wodurch eine Libelle auf seiner Schulter ihre glitzernden grünen Flügel ausbreitete. »Ich wusste, dass bei uns im Kern was faul ist, aber ich hätte nicht gedacht, dass es so schlimm sein könnte. Die Macht wählt die Pythia. So ist es Tausende von Jahren lang gewesen, denn die falsche Person in dem Amt fordert Katastrophen heraus. Immer wieder haben dunkle Magier nach einer Möglichkeit gesucht, durch die Zeit zu reisen und die Welt so zu verändern, wie sie es wollen, und dann und wann gelingt es einem. Ohne eine richtige Pythia auf dem Thron ist unsere ganze Existenz bedroht! Die Pläne des Rats müssen vereitelt werden!«
»Mhm.« Ich sah in Macs einfaches, ernstes Gesicht und versuchte, ihm einen Vertrauensbonus zu geben. Aber es fiel mir schwer. Die Welt, in der ich aufgewachsen war, funktionierte nach dem Zuckerbrot-und-Peitsche-Prinzip: Alles wurde getan, um eine Belohnung zu bekommen oder Strafe zu entgehen. Und je riskanter der Job, desto größer Belohnung oder Strafe. Wenn man das Risikopotenzial berücksichtigte, von dem Max sprach, musste der in Aussicht stehende Lohn enorm sein.
Pritkin hatte während der mitreißenden Rede seines Kumpels geschwiegen und sich damit zufrieden gegeben, ins Leere zu starren. Ich schnippte vor seinem Gesicht
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