Hinreißend untot
gestohlene Kostüm um die schwarzen Kästchen aus dem Senatsarsenal und nahm es dann aus der Tasche. Das leere Kästchen, in dem die Graien sich befunden hatten, ließ ich zurück – damit hatte ich noch Pläne.
»Casanova hat mir versprochen, das hier für mich in seinen Safe zu legen und kein Geld von der jungen Frau zu verlangen, die mir ihre Kleidung, äh, ausgeliehen hat.« Ich reichte das Bündel Chavez, als er den Motor anließ. »Ich kümmere mich darum, obwohl er eine Zeitlang beschäftigt sein dürfte.« Er sah mich kokett an. »Du hast einen ziemlichen Eindruck hinterlassen,
Querida.
Ich schätze, das Dante’s wird nie wieder so sein wie vorher.« Er warf das Bündel in den Fond, und ich versuchte, nicht zusammenzuzucken, als es auf die lederne Sitzbank fiel. Einmal mehr fragte ich mich, ob es nicht besser wäre, die Kästchen wieder ins Schließfach zu legen und MAGIE mitzuteilen, wo sie sich befanden. Aber da sich der Senat einem Krieg gegenübersah … Wenn sie zu dem Schluss gelangten, dass sie zusätzliche Hilfe brauchten, setzten sie vielleicht frei, was sich in den kleinen Behältern befand. Casanova wollte bestimmt nicht, dass bei ihm noch mehr Gäste wie die Graien herumliefen, und deshalb ging ich davon aus, dass die Kästchen bei ihm gut aufgehoben waren. Zumindest bis ich eine Antwort auf die Frage fand, was aus ihnen werden sollte.
Chavez hielt vor einem schmuddeligen Tätowierstudio, in dem angeblich Pritkin auf Vordermann gebracht wurde. Er ergriff meine Hand, als ich aussteigen wollte. »Ich weiß nicht, was du vorhast,
Querida,
aber sei vorsichtig. Man darf Magiern nie ganz trauen, verstehst du? Und das gilt insbesondere für diesen. Wenn du mit ihm zu tun hast, denk daran: Sieh wie die unschuldige Blume aus, aber sei die Schlange darunter.« Ich sah ihn überrascht an, als ich dieses Zitat hörte, und Chavez lachte. »Hast du vielleicht geglaubt, dass ich nur gut aussehe?«
Ich verneinte stotternd, aber wir wussten beide, dass er richtig getippt hatte. »Du hast meine Karte, nicht wahr? Ruf an, wenn du Hilfe brauchst.« Er lächelte, und seine weißen Zähne bildeten einen auffallenden Kontrast zur glatten olivfarbenen Haut. »Oder sonst etwas. Was dich betrifft, Cassie … Bei dir bin ich immer zu einem Rabatt bereit.«
Ich lachte, und er fuhr mit quietschenden Reifen los. Erst später fragte ich mich, woher er meinen Namen kannte – ich war nie dazu gekommen, mich ihm vorzustellen. Ich zuckte mit den Schultern; vermutlich hatte er ihn von Casanova erfahren.
Fünf
Mit der Reisetasche und den beiden Tüten aus dem Fast-Food-Restaurant betrat ich das Tätowierstudio. Drinnen war es fast so heiß wie draußen, und die rasselnde Klimaanlage klang so, als könnte sie jeden Moment den Geist aufgeben. Das wie verzweifelte Geräusch passte gut zum Dekor: schmutzige Deckenplatten, dungbrauner Teppichboden und ein zerkratzter Kunststofftresen. Nur die vielen bunten Tätowierungsmuster fast überall gaben dem Laden so etwas wie Leben.
Der Tresen trennte den vorderen vom rückwärtigen Teil des Studios, der sich hinter einem braunen Vorhang befand. Es war kein Angestellter zu sehen, und deshalb läutete ich und sah mit gerunzelter Stirn auf eine Ausgabe von
Blick in die Kristallkugel,
die ganz offen auf dem Tresen lag. Der selbsternannte Hüter der Redefreiheit in der übernatürlichen Welt präsentierte die übliche reißerische Schlagzeile:
DRACULA IN VEGAS GESICHTET – DIE GEISSEL EUROPAS LEBT!
Ja, wahrscheinlich saß er drüben im Cesar’s am Pool und stopfte zusammen mit Elvis irgendwelche Leckereien in sich hinein. Ich nahm die Zeitschrift und ließ sie unter dem Tresen verschwinden. Zum Glück hatten die Schreiberlinge noch nicht meinen Namen herausgefunden. Ich hatte auch so schon genug Probleme – die Paparazzi konnten mir gestohlen bleiben. Einige Sekunden später trat ein dürrer, kahlköpfiger Mann mit langem, grauen Schnurrbart durch den Vorhang. Abgesehen von den Körperteilen, die unter einer abgeschnittenen Jeans verborgen blieben, war er vom dünnen Hals bis zu den in Flipflops steckenden Zehen von Tätowierungen bedeckt. Was noch seltsamer war: Die Tattoos bewegten sich. Die um den Hals geschlungene Kobra hob kurz den Kopf, und ihre Zunge tastete in meine Richtung, während eine tätowierte Eidechse über die Stirn kroch, mich entdeckte und erschrocken hinter dem linken Ohr verschwand. Der Adler auf der Brust schlug langsam mit den ausgebreiteten Flügeln und
Weitere Kostenlose Bücher