"Hinsetzen, anschnallen, Klappe halten!" - die unglaublichsten Mitfahrgeschichten
Gurt um seinen Körper zu zerren, und fängt sogleich zu schwitzen an.
Irgendwie finde ich meinen alten, klapprigen, bislang jedoch zuverlässigen Ford Fiesta deutlich überladen, aber nun ist es zu spät – ich kann Louis schließlich nicht rauswerfen. Zumindest erweist er sich zum Ausgleich als ausgesprochen amüsanter Zeitgenosse und unterhält uns mit Erzählungen über seine »nervtötende Sippe«, seine »schrappige Großtante«, den »sexgeilen Onkel« und den »geldgierigen Cousin«.
Allerdings redet er mit dem ganzen Körper, gestikuliert wild herum, hält sich, um seine Massen besser drehen zu können, gerne am Griff über der Beifahrertür fest, bis der während einer pantomimisch wiedergegebenen Episode abbricht. Louis entschuldigt sich tausendfach und
macht weiter mit seinen bühnenreifen Vorträgen.
Während die beiden Jungs hinten noch über das erste Missgeschick lachen, bahnt sich das nächste bereits an. Louis berichtet von seinen beiden Onkeln, wie die mit der Bierbank umgekippt sind, schüttelt sich vor Lachen und stößt gurgelnd und glucksend hervor: »Wir sind alle wie Elefanten im Porzellanladen. Uns liegt die Tollpatschigkeit in den Genen!« Dabei reißt er wie zur Bestätigung die Sonnenblende bei dem Versuch, sie herunterzuklappen, komplett ab. Auch wenn ich ebenfalls lachen muss, frage ich mich so langsam, was von meinem Auto wohl noch übrig ist, wenn Louis aussteigt. »Tut mir unendlich leid. O Gott, ich bezahle dir das alles. Echt!«, beteuert er immer wieder.
Mein Fiesta und ich, wir haben Glück, denn weitere Schäden bleiben uns erspart. Als wir am Heidelberger Bahnhof ankommen, schnallt er sich umständlich ab und verspricht, sich wegen der demolierten Teile bei mir zu melden. Als er die Tür öffnet und aussteigen will, verfängt er sich so ungünstig im Gurt, dass er in voller Länge auf den Bürgersteig genau vor den Burger King fällt, den linken Fuß noch eingewickelt in den
Anschnallgurt. Wie ein Käfer auf dem Rücken liegt er da; ich kriege einen so enormen Lachanfall, dass ich ihm nicht gleich zu Hilfe eilen kann, und Mats und Björn geht es nicht anders. Schließlich können wir uns doch beruhigen und laufen um das Auto, um ihm hochzuhelfen.
Wir verabschieden uns alle voneinander, und Louis ruft noch zu mir herüber: »Über diese Fahrt könnte man glatt ein Buch schreiben!«
Nina
Weibliches Einfühlungsvermögen
An einem ungemütlichen Herbsttag sitze ich bei Franziska im Auto, als sie mir kurz nach der Abfahrt in Gelsenkirchen eröffnet, dass wir in Düsseldorf noch jemanden mit Katze abholen. Eine eher seltene Fracht in Mitfahrerautos.
»Fand ich irgendwie süß«, sagt sie. »Der hat mich gestern Abend angerufen und gefragt, ob ich ihn die kurze Strecke bis Köln für drei Euro mitnehmen würde. Seine Samtpfote soll wohl kastriert werden oder so.«
Ferdinand heißt der Katzenbesitzer und ist ein 21-jähriger Student, der uns gleich erklärt, warum er nach Köln fährt. Sein Onkel praktiziert dort als Tierarzt und erledigt die kostspielige Kastration für ihn gratis. Jedenfalls jault und maunzt Kätzchen Riki in ihrem Korb, was das Zeug hält, als wüsste sie, was ihr bevorsteht. Wir Frauen jedenfalls sind voller Mitleid und bedauern Riki aus vollstem Herzen. »O Gott, die Arme!«
»Jetzt fangt ihr nicht auch noch an«, lacht Ferdinand. »Hab meine Freundin extra zu Hause gelassen, weil sie heute Morgen schon mit Riki im Duett geheult hat. Frauen und ihr Mutterinstinkt.«
Petra
Die sicherste Art zu reisen
Rudi, ein Mittfünfziger, ist an einem Sonntagnachmittag meine Rettung, nachdem meine eigentliche Mitfahrgelegenheit krankheitsbedingt ausgefallen ist. Zwar faselt er am Telefon irgendwas von »viel geladen«, doch ich höre nur mit halbem Ohr zu. Hauptsache, ich komme rechtzeitig nach München.
Als er mit seinem alten Volvo am Treffpunkt erscheint, staune ich nicht schlecht und frage mich ernstlich, wo da noch Platz für mich sein soll, denn er hat eine rote Motorhaube an Bord, die vom Kofferraum bis über die Rückbank und zum Teil sogar bis zu den vorderen Sitzen reicht.
Er steigt aus, und zu meiner Verwunderung sehe ich auf seinem Kopf einen Fahrradhelm. »Hallo!« Er schüttelt mir kräftig die Hand und hilft mir, meinen Trolley in dem Durcheinander seines Kofferraums zu verstauen. Dann kann ich einsteigen, und er öffnet mir die Tür, deutet auf den Helm, der auf dem Beifahrersitz liegt. »Für dich«, erklärt Rudi. »Nur für den
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