Hinter deiner Tür - Aktionspreis (German Edition)
netten
Pflege erholte ich mich schnell. Außerdem hatte die Sache auch
sonst seine guten Seiten. Ich brauchte gar nicht darüber
nachzudenken, ob ich wieder zum Yoga gehen sollte oder nicht.
Obwohl es mir gut getan hätte, hatte ich doch jetzt schon
ausgesetzt, nur um Thilo nicht begegnen zu müssen.
Es klingelte an der Tür. Eindringlich.
„Ja, ich komm ja schon.“
Vor der Tür standen Tina, Josy und Jamie. Ich wollte
einfach nur die Tür zuschlagen und meine Ruhe haben.
„Lena, wie schaust du denn aus? Du bist ganz blass! Und
was ist mit deinen Augen passiert? Du, ich wollte kurz was
erledigen, und da du ja zu Hause bist, bring ich dir die Kinder.
Das ist doch kein Problem, gell?“
„Lass sie einfach hier und verschwinde“, flüsterte ich,
wobei ich in eine andere Richtung blickte, um ihr nicht die
Augen sehen zu müssen.
„Danke. Du hast was gut bei mir!“ Sie strahlte mich an.
Die Kinder sahen gar nicht glücklich aus. Sie setzten sich
an meinen Küchentisch, und ich kroch auf meine Couch. Von
dort hatte ich die beiden im Blick.
„Paul, kommst du runter, ich brauche Hilfe.“
„Ja, kein Problem, bis gleich.“
Als er meine Wohnung öffnete, hing ich über der
Kloschüssel. Den Schlüssel hatte er noch vom Blumengießen. Er
erkannte die Situation sofort und bastelte mit den Kindern
Weihnachtssterne.
Mir erging es wie jedes Jahr. Weihnachten kam mit einer
Wucht auf mich zu, der ich nicht gewachsen war. Plötzlich stand
es vor der Tür wie ein unangemeldeter Gast. Ich hatte keine
Geschenke und rannte in der letzten Minute durch die Geschäfte.
Wie Weihnachten wohl in diesem Jahr werden würde? Mit wem
sollte ich den Heiligen Abend verbringen? Ohne Mutter.
Mein Vater ließ sich nur noch hängen, traute sich immer
noch nicht wieder auf die Straße. Für den nächsten Tag hatte ich
mich auf der Arbeit krankgemeldet, aber zu meinem Vater würde
ich wohl fahren müssen und zum Arbeitsamt. Ich seufzte vor
Magengrummeln und begab mich wieder ins Bad. Da konnte ich
mir noch sooft die Zähne putzen, alles roch und schmeckte
extrem eklig. Genauso fühlte ich mich. Sehnsüchtig fiel mein
Blick auf die Muscheln auf meiner Badewanne. Wenn es doch
nur schon Sommer wäre! Erschöpft legte ich mich wieder auf die
Couch und streckte alle Viere von mir.
Als die Kinder in ihre Beschäftigung versunken waren,
setzte Paul sich zu mir auf die Couch.
„Ich wollte noch etwas mit dir besprechen, Lena. Bist du
fit genug?“
„Ja, es geht mir schon etwas besser“, log ich.
„Erinnerst du dich an meine Reportage über die Fabrik?
Ich habe dir doch erzählt, dass du darin vorkommst. Gerne
würde ich ein paar Fotos von dir reinnehmen. Was hältst du von
der Idee?“, fragte er.
Paris … das Foto-Shooting … Erinnerungsfetzen flogen
durch den Raum. Die Türklingel rettete mich. Tina sammelte
ihre Kids wieder ein, wünschte mir einen schönen Abend und
gute Besserung. Paul war auch noch verabredet. Deshalb
verschoben wir unser Gespräch.
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17
„Thilo, nach
links
, nicht rechts.“
Lena war wieder nicht gekommen. Die dritte
Yoga-Sitzung ohne sie. Er konnte nicht einmal mehr schlafen.
Genervt hatte er die letzte Nacht wieder vor dem Fernseher
verbracht und war dort irgendwann eingenickt. Hätte er sie doch
nicht zu dem Treffen gelockt!
Auch das tiefe Einatmen in den Bauch und das intensive
Sonnengebet
halfen ihm nicht.
Für die Schlussentspannung hatte Renate heute
Klangschalen mitgebracht. Sie forderte die Teilnehmerinnen auf,
sich mit dem Kopf in die Mitte zu legen. Als alle sternförmig
angeordnet waren, hörte Thilo den gleichmäßigen Atem der
anderen.
Es erklang ein ganz besonders intensiver Ton.
„Durch das Schlagen eines Klöppels an eine Klangschale
erzeuge ich Töne, die euch in Schwingung versetzen werden.“
Thilo schloss die Augen. „Dieses Exemplar wurde von
Hand aus verschiedenen Metallen gegossen, so dass es
intensivere Schwingungen erzeugt, als ein maschinell
produziertes.“ Renate schlug den lederbezogenen Klöppel sanft.
Der helle Ton wanderte durch Thilos Körper, der leicht zu
vibrieren begann. Es war ein sehr angenehmes Gefühl. Schon
war der nächste zu hören und zu spüren. Wieder ein neuer Ton.
Laut. Heller. Intensiver. Die Abstände zwischen den Klängen
verringerten sich. Ihre Höhe variierte harmonisch. Die Körper im
Raum schwangen langsam mit und entspannten sich. Die
Yoga-Lehrerin ging bedächtig durch
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