Hinter deiner Tür - Aktionspreis (German Edition)
ist es am
schlimmsten.“ Sie unterstützte ihre Worte mit wilden Gesten.
Sebastian sah sie fordernd an. „Erzähl!“
„Ja, gib uns ein Beispiel, dann können wir vielleicht etwas
herausfinden“, schloss Thilo sich Sebastians Vorschlag an.
„Ich träume immer wieder, dass ich verfolgt werde. Dann
laufe ich endlos lange in der Nacht herum und renne, was das
Zeug hält. Aber jedes Mal werde ich eingeholt“, berichtete Anja
mit leicht zitternder Stimme.
„Und was passiert dann?“ Melissa war ganz blass um die
Nase geworden.
„Wer verfolgt dich denn? Kannst du deine Häscher
erkennen?“, fragte Thilo.
„Also, meistens werde ich dann schweißgebadet wach.
Die Verfolger kann ich nicht erkennen, hinter mir ist alles
dunkel, aber ich spüre sie ganz deutlich.“ Sie saß rechts neben
mir. Ihre Halsschlagader bewegte sich ganz schnell. Einem
Impuls folgend, legte ich meine Hand auf ihren linken Arm.
„So etwas träumt doch jeder ab und zu, das hat nichts zu
bedeuten“, versuchte Hans sie zu beruhigen.
„Ich habe mal gelesen, dass alle Träume in Schwarz-Weiß
sind“, sagte Melissa. „Die Farben, die wir sehen, existieren nicht
wirklich.“
„Wenn du mich fragst, Anja, dann hat der Traum mit
deiner Angst zu tun“, äußerte Thilo jetzt. Er ergänzte, früher
auch Träume gehabt zu haben, in denen er Dinge gezählt hätte,
alles zwanghaft und mehrfach wiederholt hätte. Ihm sei mit der
Zeit klargeworden, dass er dies in Wirklichkeit auch machte.
„Ich musste mich meinen Zwängen stelle, um sie loszuwerden.
Das habe ich, wie ihr wisst, in der Therapie gelernt.“ Thilo
sprach mit fester Stimme. „Naja, ganz sind sie noch nicht
verschwunden, aber es ist schon viel besser geworden. Heute
wasche ich mir nicht mehr zehnmal die Hände hintereinander“,
fügte er leise hinzu. „Wir dürfen nicht vor unseren Problemen
davonlaufen!“
Warum blickte er mich dabei so eindringlich an? Ich sah
zur Seite und beobachtete intensiv Anjas Halsschlagader, die
sich allmählich beruhigte. Seine Theorie klang ja ganz spannend,
aber was konnte Anja tun? Sebastian schien meine Gedanken
lesen zu können.
„Wie kann Anja sich denn gegen solche Träume
wehren?“, fragte er. Alle schwiegen kurz, dachten nach. Es
herrschte eine angenehme Stille im Raum. Mein Traum. Die Tür.
Das Licht. So grell.
Was soll das jetzt werden, Bohnenstange? Du weißt doch
ganz genau, dass dich dann alle für verrückt halten, wie damals!
Willst du das?
Ich schob den Gedanken schnell weg.
„Anja, wenn du noch einmal träumst, solltest du deinem
Verfolger in die Augen schauen, statt wegzulaufen. Dann kommt
er vielleicht nicht mehr wieder“, schlug die ahnungslose Melissa
vor.
„Das ist eine gute Idee, Melissa, aber ich habe ja leider
keinen Einfluss auf mein Verhalten. Ich schlafe doch.“
„Das ist es!“, rief Thilo aus. Er strahlte Anja an. „Du
musst dich deinen Ängsten entgegenstellen. Ihnen zeigen, dass
sie dir nichts anhaben können. Weißt du, was genau die Angst
verursacht, Anja?“
„Hm, ja, so ... in ... etwa. Aber weißt du, was ... was du
von mir verlangst? Das ist alles nicht so einfach, wie es aussieht.
Die Angst ist so furchtbar!“, sagte sie und hörte sich heiser an.
Sie schluchzte. Arme Anja! Wieder legte ich meine Hand auf
ihren Arm. Sie weinte leise. Die anderen redeten nicht weiter auf
sie ein, sondern trösteten sie. Sie wüssten, dass es nicht einfach
sei. Was sei schon einfach im Leben, sie dürfe es sich aber auch
nicht selbst noch schwerer machen. Anja nickte. „Ich will ja was
tun. Bitte helft mir! Ich habe keine Lust auf die Panikattacken.“
Die 80er-Party. Jan. Ich spürte, wie mir die Röte ins
Gesicht stieg. Nervös presste ich die Finger gegeneinander.
Meine Hände schwitzten. Ich hing an Thilos Lippen, als er
erklärte:
„Vor allem musst du ‚Stopp‘ sagen! Angst entsteht im
Kopf, und dort musst du sie angreifen, stoppen, bevor sie
eskaliert. Du musst dir immer wieder sagen: Es gibt keinen
realen Grund!“
„Wenn das so einfach wäre“, entgegnete Anja flüsternd.
„Ich bin fünfundzwandzig und habe noch Angst im Dunkeln.
Traue mich nach der Dämmerung nicht mehr allein auf die
Straße. Das versteht da draußen keiner.“ Sie zeigte auf das
Fenster.
Anja wirkte sehr einsam und versteckte sich hinter ihrer
Angst. Die anderen konnten nicht nachvollziehen, wie das war,
wenn Angst der ständige Begleiter ist. Sie konnten ihr nicht
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