Hinter deiner Tür - Aktionspreis (German Edition)
lachte und machte eine
kurze Pause, wühlte im Sand und vergrub meine Füße darin. Die
feinen Körner rieselten durch meine Finger und rieselten … und
rieselten. Jetzt konnte ich die Füße wieder sehen. Sie waren
auffallend groß. So riesig waren meine nicht. ... Plötzlich hörte
ich einen Schrei! Ein Kind! Es schrie und schrie und ...
„Kommt bitte wieder mit eurer Aufmerksamkeit zurück in
diesen Raum.“
Wie immer holte mich der helle Ton in die Gegenwart
zurück.
Stückchenweise wurde ich wach. Welches Kind hatte
geschrieen? Blass und wackelig auf den Beinen versuchte ich
aufzustehen. Ach du meine Güte! Sollte das bedeuten ...?
„Hallo … Lena.“
Eine tiefe Stimme riss mich aus meinen Gedanken.
„Hallo Thilo.“
„Schön, dich zu sehen.“ Er lächelte nicht.
„Hm.“
„Ich würde gerne mit dir sprechen. Sollen wir schon mal
vorgehen?“
„Ja, aber ich brauche noch einen Moment, um wieder zu
mir zu kommen.“
Schweigend gingen wir nebeneinander her.
„Es tut mir leid“, sagte Thilo leise, den Blick auf den
Boden gerichtet.
„Was genau?“
Er wich meinem Blick aus.
„Ich hätte dir mehr über die Gruppe erzählen sollen. Es
war nicht meine Absicht, dich unter falschen Voraussetzungen
dorthin zu locken. Ich kann mir vorstellen, wie du dich gefühlt
hast.“
Wir betraten eine Weinstube in der Niederburg. Thilo
hielt mir die Tür auf und nahm meine Jacke entgegen. Als er von
der Garderobe zurückkam, setzten wir uns an die Bar, um auf die
anderen und auf einen freien Tisch zu warten. Ich beruhigte ihn.
„Ich habe auch überreagiert, bin einfach davongelaufen.“
„Das hätte ich an deiner Stelle wahrscheinlich auch
getan.“
Thilo schwieg und lächelte plötzlich: „Melissa hat mich
übrigens angerufen und mir erzählt, dass du letzten Mittwoch
wieder dort warst.“
Ich blickte ihn gespielt vorwurfsvoll an: „Ja, und wo warst
du?“
„Lena, ich glaube ich bin dir eine Erklärung schuldig.“
Er beugte sich ein Stück vor, wich aber meinem Blick
erneut aus.
„Lass hören!“
„Also, es ... es ist so, jeder, der jemand Neues mitbringt,
bekommt ... bekommt … eine ... Art ... eine Prämie.“
„Du hast mich also wegen einer … einer Prämie
eingeladen? Ach so.“ Er war genau so ein schlechter Lügner wie
ich. Thilo schien das Mosaik der Bar zu studieren, trat dabei von
einem Bein aufs andere.
„Deshalb hat Melissa mich auch so gelobt. Sie ist
übrigens meine Cousine.“
Er tat mir leid, wie er so verlegen Löcher in die Luft
starrte. „Weißt du was, wir vergessen die ganze Geschichte und
gehen am Mittwoch gemeinsam hin.“ Er nickte. „Erzähl mal!
Melissa ist also deine Cousine? Sie ist sehr nett. Und Sebastian?
Thilo berichtete, dass seine Therapeutin ihm zu dieser
Expertengruppe geraten hatte. Er war sehr unterhaltsam aber
diskret.
„Thilo, wo arbeitest du eigentlich? Erzähl doch von dir!“
Seine Gesichtszüge wurden mit einem Mal hart, sein
Blick wirkte traurig; er wartete einen Moment, bis er erzählte:
„Weißt du, früher, bevor … naja … vor einigen Jahren,
habe ich im Krankenhaus mit behinderten Kindern gearbeitet.
Das war eine sehr interessante Tätigkeit. Nennt sich
Frühförderung.“
„Das stelle ich mir aber sehr schwierig vor.“
„Ist es auch, aber auch spannend und abwechslungsreich.
Wenn ein Kind zum Beispiel zu wenig Sauerstoff bei der Geburt
bekommen hat, und es sich herausstellt, dass es geistig und
körperlich behindert sein könnte, kommt es sehr darauf an, wie
die Eltern damit umgehen. Ich habe schon sehr verschiedene
Entwicklungen solcher Kinder beobachten können. Wenn die
Eltern nicht aufgeben und mit dem Kind kontinuierlich üben, hat
es eine Chance auf Besserung.“ Er schwieg und schaute wieder
das Mosaik an. „Ich vermisse meine Arbeit, Lena.“
Unwillkürlich musste ich an meinen eintönigen Job am
Fließband denken und an mein Baby. Seine dunklen, braunen
Augen trafen meine. „Aber irgendwann werde ich wieder soweit
sein, da weiter zu machen, wo ich aufgehört habe. Und so lange
bin ich … Krankenpfleger.“
„Du schaffst das, da bin ich ganz sicher.“
Ich legte für eine Sekunde meine Hand auf seine. Da in
dem Moment ein großer Tisch frei wurde, wechselten wir den
Platz. Als die anderen aus unserer Yoga-Gruppe eintrudelten,
schien Thilo nicht besonders erfreut zu sein.
Wir unterhielten uns in der Gruppe über besondere
Atemtechniken und amüsierten
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