Hinter deiner Tür - Aktionspreis (German Edition)
Tobias. Er verfolgt mich.“
Mein Vater riss die Augen auf und sprach mit heiserer
Stimme:
„Das ist gar nicht gut.“ Er schwieg. Schluckte einen
scheinbar sehr großen Kloß hinunter.
„Das Gefühl habe ich auch. Ich möchte wieder
durchschlafen können.“
„Lena, gehst du mit mir zum Grab? Alleine schaffe ich es
nicht. Und vielleicht hilft es dir.“
Süße, jetzt wird alles gut werden! Du weißt es und ich
weiß es auch!
„Weißt du was, Papa, du stellst dich bei Familie Peters
vor, kommst danach auf einen Kaffee zu mir, und dann gehen
wir Tobias besuchen“, schlug ich vor. Er nickte erschöpft. Welch
ein Weihnachten.
***
Thilo lehnte sich entspannt nach hinten und beobachtete
das lebhafte Treiben. Die Kinder spielten mit ihren Geschenken.
Alle sahen zufrieden aus. Melissa und ihre Geschwister waren
kurz nach der Bescherung vorbei gekommen. Im Hintergrund
lief
Last Christmas
, und andere moderne Weihnachtslieder
würden sich anschließen. Thilo liebte diese familiäre,
anheimelnde Atmosphäre, wenn alle gut gegessen hatten und
zufrieden waren. Später, wenn die Kinder schliefen, wollten sie
noch in die Christmette.
Es hätte alles so schön sein können, wenn Lena nicht
wäre, genauer, wenn Lena ihn nicht abgewiesen hätte. Wie es ihr
wohl jetzt gerade geht, fragte er sich. Ob ihr Vater den Job
annehmen würde? Vielleicht sähe er sie dann ab und zu. Nicht,
dass er deshalb diesen Vorschlag gemacht hatte. Bei diesem
Gedanken musste Thilo schmunzeln. Seine Mutter war von der
Idee begeistert gewesen, da der Garten sich allmählich in einen
Urwald verwandelte. Außerdem hat sie gerne Menschen um sich
und freute sich über nette Gesellschaft.
Sie feierten noch eine Weile. Schließlich brachte Melissa
ihre Zwillinge ins Reisebett, und Thilo legte Niklas schlafen. Die
Weihnachtsmesse wartete auf Thilo und seine Cousins.
Liebevoll legte er sich den neuen blau-schwarzen Schal
um den Hals, den Melissa ihm geschenkt hatte.
***
Nachdem endlich Ruhe eingekehrt war, ließ die daheim
gebliebene Thea Peters ihren Gedanken freien Lauf. Der Jugend
von heute begegnete sie mit Unverständnis und Strenge. Vor
allem ihre Beinahe-Schwiegertochter Esther fiel durch ihr
Raster. Wie konnte sie Niklas und Thilo im Stich lassen?
Einfach verschwinden. Was für eine unmögliche Person, dachte
sie auch noch ein Jahr nach der Trennung. Obwohl die beiden
ein hartes Schicksal hatten. Ein Kind zu verlieren, war kein
Zuckerschlecken. Aber das Leben war eben kein Geschenk. Man
musste sich wieder aufrichten, um nicht unterzugehen. So hatte
sie es nach dem Tod ihres Mannes allein geschafft, den Sohn zu
erziehen. Außerdem war ihre Enkelin nur wenige Tage nach der
Geburt gestorben. So schnell konnte doch noch keine Bindung
entstehen!
Immer wieder hatte sie Thilo auf sein gesundes Kind
hingewiesen. Er müsste zufriedener sein und sich endlich eine
neue Frau suchen, die Vergangenheit vergessen. Schade, dass ihr
Plan mit der süßen Johanna nicht aufgegangen war. Die meisten
Menschen waren in ihren Augen ersetzbar.
Auch ihre Nichte Melissa verhielt sich unmöglich. Sie
konnte nicht verstehen, warum diese Frau nicht endlich die
Verantwortung für ihr Leben und für ihre beiden Kinder
übernahm. Sie aß in ihren Augen soviel wie ein Spatz und wurde
immer dünner. Sie würde doch noch einmal mit ihrem Bruder
Klaus darüber sprechen müssen.
Zu ihrem Glück hatte Klaus kein Interesse an dem Haus
und Garten ihrer Eltern gehabt. Deshalb war sie, Thea, die
Alleinerbin. Sonst hätte sie in einer kleinen Mietwohnung leben
müssen und hätte Thilo und Niklas nicht bei sich aufnehmen
können, da sie selber nur eine Aushilfsstelle in einer Bibliothek
ausübte.
Vor ihr saß der Jüngste der Familie ihres Bruders - der
körperlich und geistig behinderte Benedikt - in seinem Rollstuhl
und döste vor sich hin.
Er war auch schon fünfundzwanzig. Wie schnell doch die
Zeit verging.
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Hiermit bewerbe ich mich um die Stelle als Bürokraft in
Ihrem Hause. Durch die Agentur für Arbeit bin ich auf Sie
aufmerksam geworden ...
Und so weiter und so fort. Ich schrieb die immer gleichen
Bewerbungsfloskeln, versuchte meinen Lebenslauf in ein gutes
Licht zu rücken und den Studienabbruch zu vertuschen. Nutzte
den Weihnachtsfeiertag, um dies endlich zu erledigen. Die Worte
meines Vaters drehten sich in meinem Kopf. Warum hatte
Mutter ihm nicht verziehen? Dabei bin
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