Hinter deiner Tür - Aktionspreis (German Edition)
doch
ich
bei Tobias
gewesen. Seit die Erinnerungen mich einholten, spürte ich es:
Ich hätte besser auf meinen kleinen Bruder aufpassen müssen.
Dann würde er heute noch leben. Die eindringliche Stimme
meiner Mutter konnte ich noch deutlich hören:
„Ich muss kurz weg, pass gut auf deinen Bruder auf,
Anna-Lena!“
Lange hielt ich das nicht mehr aus, musste unbedingt mit
ihr darüber sprechen. Ich legte die Bewerbungen zur Seite.
Wie sollte ich mich auch konzentrieren? Ich würde Daniel
heute wiedersehen. Endlich. Es gab so viel zu sagen. Worte.
Manchmal steckten sie im Hals fest, wollten nicht über die
Lippen nach außen dringen.
Hey, Bohnenstange! Was soll das Getue? Bei dem tollen
Kerl hast du die Chance, ein anderer Mensch zu sein!
Süße, höre nicht auf ihn. Du musst ehrlich sein!
Pah! Wer ist heute schon ehrlich? Der Sex ist gut, und das
weißt du genau. Oder muss ich dich erst an deinen ersten
Orgasmus erinnern?
Was ist schon so Wichtiges an einem Orgasmus? Vergiss
nicht, dass du in dieser Nacht schwanger geworden bist, Süße!
Hör auf dein Herz und sei ehrlich. Liebst du ihn?
Bla, bla, hör auf dein Herz! Du wirst ihn verlieren.
Lasst mich endlich in Ruhe! Ich brauche euch nicht. Und
eine Bohnenstange bin ich auch nicht mehr!
***
„Hallo Anna. Fröhliche Weihnachten!“ Daniel begrüßte
sie schon vor der Tür mit einem Kuss, den sie zärtlich erwiderte.
„Dir auch fröhliche Weihnachten.“
Sie betraten das gemütlich eingerichtete Restaurant, zogen
ihre Jacken aus und bestellten Getränke. Bier für Daniel und
Wasser für sie. Geschenke tauschten sie nicht aus.
Anna betrachtete ihn genau. Sofort wurde sie von seinem
swimmingpoolblauen Augen mit den langen Wimpern
angezogen. Sein Jungengesicht faszinierte sie. Ihr Blick glitt
tiefer und liebkoste seine breiten Schultern und die muskulöse
Brust. Sie dachte an seinen kleinen, knackigen Hintern unter der
Jeans. Daniel sah sie an.
„Anna, was möchtest du essen?“
Gemeinsam studierten sie die Karte und bestellten als
Vorspeise die Tagessuppe. Als Hauptgericht Nudeln mit Pesto
für Anna und ein Steak mit Pommes Frites für ihn. Die Kellnerin
notierte die Bestellung und verschwand.
Unangenehmes Schweigen lag in der Luft. Anna
betrachtete seine Hände. Schöne große Hände, die sich auf ihrer
Haut gut angefühlt hatten. Sie legte ihre kleine Hand in seine
große und lächelte ihn an:
„Schön dich zu sehen, Daniel. Es ist lange her.“
„Ja.“
Die Tagessuppe wurde serviert. Tomatensuppe mit
Sahnehäubchen. Schweigen.
„Wie war dein Weihnachtsfest, Anna?“, fragte Daniel und
löffelte seine Suppe.
„Ganz nett. Und bei dir?“
„Auch.“
„Ich habe mit meinem Vater gefeiert. Meine Mutter hat
ihn vor einigen Monaten verlassen. Und du?“
Er erzählte Anna von seiner heilen Welt.
„Mein Bruder ist auch gekommen. Er studiert in
Stuttgart.“
„Ich habe keine Geschwister.“
Die Kellnerin räumte die Teller ab. Er sah ihr hinterher.
„Ich hätte gerne Geschwister gehabt“, hörte sie sich
sagen. „Kinder mag ich sehr. Und du?“
„Ich habe einen jüngeren Bruder, der gerade studiert,
Marius, und eine kleine Schwester: Claudia. Sie ist natürlich
nicht mehr klein, aber zehn Jahre jünger als ich.“ Er lächelte.
„Also, ich habe meine Eltern nicht verstanden. So spät noch ein
Kind zu bekommen. Meine Mutter war über vierzig, als Claudia
geboren wurde.“
„Ja, und? Meinst du, man sollte Kinder früher
bekommen?“
„Nee, ich meinte, dass sie Claudia besser gar nicht mehr
bekommen hätten. Ich finde Kinder furchtbar anstrengend.
Erinnere mich noch zu gut, da ich ja viel mitgeholfen habe,
damals. Immer das Geplärr. Komm, lass uns über etwas
Angenehmeres sprechen.“
Die Kellnerin stellte ihnen dampfende Teller auf den
Tisch und brachte Daniel ein frisches Pils. Sie genossen und
schwiegen. „Möchtest du heute keinen Rotwein trinken, Anna?“
Unglaublich blaue Augen blickten sie an.
„Vielleicht später“, log sie, ohne rot zu werden.
Das Essen war köstlich. Anna wartete auf den richtigen
Moment. Langsam wurde sie nervös, begann mit ihren
Haarsträhnen zu spielen. „Du, Daniel, ich ...“ Sie strich sich die
Haare aus dem Gesicht.
„Ja, Anna. Was gibt‘ s? Schmeckt dir dein Essen nicht?
Oder möchtest du doch ein Glas Wein trinken?“
„Nein, alles in Ordnung. Ich ... ich wüsste gerne, was das
mit uns ist. Ich meine ... ich habe ganz
Weitere Kostenlose Bücher