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Hinter deiner Tür - Aktionspreis (German Edition)

Hinter deiner Tür - Aktionspreis (German Edition)

Titel: Hinter deiner Tür - Aktionspreis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia M. Dölger
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unter den Füßen
und stürzt ins Nichts. Kommt auf dumme Gedanken. Meinst du
das?“
    „So ist es.“ Er lächelte mich verlegen an. „Das kenne ich
auch. Damals habe ich gelernt, dass man seine Gefühle nicht
unterdrücken kann und darf. Die müssen heraus, gelebt werden.
Dann wird es mit der Zeit besser.“
    Wir tranken und schwiegen eine Weile.
    „Aber das ist nicht immer so einfach. Als Jan Schluss
gemacht hat, wollte ich weinen, aber es ging nicht. Erst letzte
Woche habe ich richtig weinen können. Die Tränen sind
geflossen und wollten nicht mehr versiegen. Plötzlich war es
doch vorbei. Jetzt fühle ich mich besser.“
    „Das ist sehr gut, Lena. Und das sieht man an deinen
Augen und an deinem Lächeln. Du wirkst wirklich befreit.“ Er
sah mich zufrieden an. „Es ist auf jeden Fall sehr wichtig. Die
Mutter von Niklas, Esther, ich meine wir …“ Es fiel ihm
scheinbar sehr schwer, darüber zu reden. Verständlich. „Was ich
sagen will ... wir hatten eine ... Tochter.“
    Ich wartete ab, ob er von alleine weiter sprach. Es war
kein unangenehmes Schweigen.
    „Esther ... sie hat Annikas … Tod nicht überwunden. Sie
musste wohl gehen, da sie die Erinnerungen bei mir und Niklas
nicht mehr ausgehalten hat.“
    Was für ein hartes Schicksal! Mir fehlten die Worte.
Spontan legte ich meine Hand auf seine.
    „Ich glaube, ich weiß, wie das ist, Thilo. Aber ich war
noch sehr klein. Damals hatte ich einen Bruder“, vertraute ich
ihm an. „Vielleicht ist er es, der in meinen Träumen schreit. Ich
habe mich erst jetzt wieder richtig an ihn erinnert.“
    Thilos Augen glitzerten.
    „Ich glaube wir haben viel gemeinsam, Lena.“
    Er rückte ein Stück näher an mich heran. „Möchtest du
mir mehr erzählen?“
    „Ich weiß nicht. Es ist alles noch so durcheinander und
verschwommen.“ Sein Gesicht war jetzt sehr nah. Ich konnte
kleine Fältchen um die Augen erkennen. Thilos Aftershave roch
herb. Angenehm. Nicht so süß und aufdringlich wie Jans. „Eins
weiß ich noch genau. Ich durfte nicht weinen. Das gehörte sich
nicht. Ich musste immer stark sein.
So
stark.“
    „Lena, das Gefühl kenne ich zu gut. ‚Indianer weinen
nicht‘, hat meine Mutter gesagt, als mein Vater starb.“
    Eine Träne rollte über meine kalte Wange. Behutsam
strich Thilo sie weg, näherte sich mit seinen kalten Lippen
meinem Gesicht, kam immer näher ...
    „Thilo, es gibt da jemanden.“
    Er zuckte zurück. Sofort stand er wieder neben mir, als
wäre nichts gewesen.
    Ich fror.
     

----
     
    29
    Heiliger Abend. Noch war früher Morgen. Weihnachten
hatte sich nicht aufhalten lassen. Ich öffnete meinen Briefkasten
und fischte einen Umschlag heraus. Wahrscheinlich die übliche
Weihnachtspost. Neugierig überprüfte ich den Absender. Eine
Karte von meiner Mutter. Aus den Bergen. Skifahren bis nach
Weihnachten. Na, viel Spaß! Entweder hatte sie ihre Höhenangst
überwunden, oder sie blieb den ganzen Tag im Appartement
sitzen. Früher war sie jedenfalls nicht einmal mit einem Lift
gefahren. Gut. Ich hätte sie sowieso nicht besucht. Mein
Geschenk in Form von zwei Hunderteuroscheinen lag im
Umschlag. Seit dem Überraschungsbesuch sollte Mutter mir
besser nicht mehr über den Weg laufen. Ihren Zettel hatte ich
dem Altpapier übergeben.
    Mein Kind. Ich werde alles besser machen. Als sie.
Wiedergutmachung.
     
    Nachdem der Müllberg entsorgt und das Gröbste
aufgeräumt war, erledigte ich die Einkäufe für das
Weihnachtsessen. Mein Vater stellte den Weihnachtsbaum auf.
Wie früher. Fast. Kleiner und künstlich. Abscheulich. Wie sein
Leben, dachte ich, als ich mit Tragetaschen bepackt in das Haus
zurückkehrte, in dem ich aufgewachsen war – nach dem Umzug
von Konstanz nach Radolfzell. Sehnsüchtig dachte ich an die
großen, wundervoll duftenden Tannenbäume meiner Kindheit
und sah alles noch vor mir, als wäre es gestern gewesen. Wie
hatte ich den Moment geliebt, endlich ins Wohnzimmer zu
dürfen! Die schön verpackten Geschenke zu bestaunen, die rund
herum lagen. Den Baum durfte ich immer mit meinen selbst
gebastelten roten Wachsfiguren und Omas alten, glänzend
silbernen Kugeln schmücken.
    Und mein Bruder? Warum hatte er nicht geholfen? In
meinen Bildern klaffte eine Lücke! Mein Bruder fehlte! Warum
konnte ich mich nicht an ihn erinnern?
    Zum Schluss war das Lametta an der Reihe gewesen. In
einzelnen Alu-Fäden verteilte ich es liebevoll über den ganzen
Baum. Ganz oben, an

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