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Hinter dem Blau: Ein kleines Mädchen verliert seinen Vater. Eine junge Frau findet zu sich. (German Edition)

Hinter dem Blau: Ein kleines Mädchen verliert seinen Vater. Eine junge Frau findet zu sich. (German Edition)

Titel: Hinter dem Blau: Ein kleines Mädchen verliert seinen Vater. Eine junge Frau findet zu sich. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa von Heyden
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und reden mit Frau Neumann. Warum schauen uns alle so an?
    »Jemand muss losfahren und die Jungs abfangen!«, fordert eine dicke Frau mit Lockenwicklern auf dem Kopf.
    »Ich sag meinem Mann Bescheid! Der wollte unseren Sohn gleich auch abholen!«
    Frau Neumann sagt: »Ich glaube, der Doktor hat sich was angetan.«
    Caro guckt mich an. Ich zucke mit den Schultern.
    »Da war ein Drache im Keller«, sage ich zu ihr. Sie legt den Kopf zur Seite und lacht mich an, weil sie glaubt, dass ich sie verscheißern will.
    Frau Neumann wimmert: »Die arme Frau. Um Gottes Willen, die armen Kinder!« Sie läuft zu uns und drückt Caro an sich. Die rührt sich nicht. Sie ist wie eingefroren. Dabei ist es so heiß.
    »Du hast ja ganz kalte Pfoten«, sagt Frau Neumann und tätschelt Caros Finger, die voll mit Spucke sind, weil sie immer noch an der Schaufel kaut. Ich schaue nach oben. Der Himmel ist so blau. »Himmellila«, wie mein Vater sagen würde. In dem Moment ist er gestorben.



 
    Der Drache war natürlich kein echter Drache, sondern mein Vater. Anstatt im Keller den Grill zu reparieren, versuchte er erfolgreich, sich das Leben zu nehmen, während meine Mutter mit Caro im Supermarkt an der Fleischtheke stand und für die ganze Familie Koteletts und Würstchen bestellte. Meine Brüder schossen Tore auf dem Fußballplatz. Niemand konnte ihn stören. Außer mir, aber ich saß in dem roten Planschbecken im Garten und spielte mit meinen Puppen. Damit, dass ich im Haus auf die Toilette gehen wollte, hat er nicht gerechnet – er dachte, ich pinkle wie immer ins Wasser. Er brachte sich am schönsten Tag des Jahres um, nicht etwa an so einem fiesen grauen Tag im November. Meine Mutter war nicht lange weg, sie sagt, höchstens eine Stunde.
    Die Geräusche, die aus dem Kellerfenster in mein Ohr drangen, sind für immer in meinem Kopf, aber ich habe keine Zeugen für meine Geschichte und keiner kann verstehen, wie unheimlich das war. Dieses »Pfff« und »Aaahhh« war das Leben, das aus meinem Vater wich. Das war das Einzige, was er sich wünschte: dass es vorbei ist. Meine Mutter erklärte uns, dass unser Papi »hinter dem Blau« sei, weil wir nicht verstanden, wo der Himmel ist und dass wir ihn da nicht besuchen können. Caro hat unheimlich geweint. Sie war ein Papakind und liebte es, mit ihm abends auf dem Sofa zu schmusen.
    Es waren ein paar Minuten, die sein Leben beendeten und das meiner Familie für immer verändert haben. Er hat meiner Mutter den Traum von einer Familie, von Liebe und Glück geraubt und uns Kindern einen Teil unserer Zukunft. Warum hat er uns das angetan? In meinen Augen war mein Vater nicht besser als all die Männer, die sich aus dem Staub machen, um keinen Unterhalt zahlen zu müssen, oder die sich eine jüngere Freundin suchen. Gegenüber meiner Tante habe ich als Teenager sogar einmal gesagt, dass ich finde, mein Vater sei ein Arschloch.
    Meine Mutter hat mich entsetzt angeschaut und wieder ihren Satz gesagt: »Dein Vater hat euch sehr geliebt, aber er war krank.«
    Ich keifte zurück: »Was soll das ewige ›Er war krank‹? Als wäre das eine Entschuldigung dafür, dass er uns alle –und vor allem ja auch dich – im Stich gelassen hat!«
    Und sie sagte: »Dein Vater war bipolar, Sunny. Er war nicht Herr seiner Sinne.«
    »Ja, du hast recht: Wenn man Kinder in die Welt setzt und dann für sich selbst beschließt, dass das Leben keinen Sinn macht – das ist krank!« Als ich dann noch hinzufügte, dass meine Eltern bei mir damals beim Sex besser hätten aufpassen sollen und ich mir wünschte, nie geboren zu sein, sah ich schon im Augenwinkel die Hand meiner Mutter auf meine Wange zufliegen. Sie verpasste mir eine schallende Ohrfeige, die mich fast umwarf. Dann nahm sie mich in den Arm und hielt mich so fest, dass ich nicht wegkonnte. Ich versuchte, mich aus ihrer Umarmung zu winden, wir kämpften ein bisschen, aber meine Mutter hielt mich fester und fester, so lange, bis ich anfing zu weinen.
    »Es ist nicht deine Schuld«, sagte sie und nahm meinen Kopf in ihre Hände. Ich riss mich los und rannte in mein Zimmer. Es war einer dieser Momente, in dem ich beschloss, niemals wieder über das Thema zu reden. Ich kann genau sagen, wo der Schmerz sitzt: mitten drin in meinem Herzen. In solchen Momenten fühlt es sich an, als ob das Herz aus glühender Lava besteht.
    Noch schlimmer als der Schmerz aber ist die Wut. Es ist ein Unterschied, ob ein Vater noch lebt, ob man zu ihm gehen kann, um ihn mit seinen

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