Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
ziemlich drollig aussah. »Fragt sich nur, ob sie gern Besuch bekommen.«
»Wieso? Wir kommen doch nicht mit leeren Händen.« Taran streichelte zärtlich über den Schaft seiner Kalaschnikow. »Wir werden uns schon irgendwie einig werden.«
Kurze Zeit später machten sich drei Aufklärer zu Fuß auf den Weg. Migalytsch und Aurora blieben zur Sicherheit in der »Ameise« zurück. Weit weg von jeglicher Zivilisation wäre es extrem leichtsinnig gewesen, den einzigen Zufluchtsort ohne Aufsicht zu lassen.
In der Nähe des Dienstgebäudes stieß das Trio auf einen Stacheldrahtzaun, der halb von Schnee bedeckt war . Das Problem war weniger der Zaun selbst, sondern ein daran befestigtes Schild, das in knapper Form darauf hinwies, dass der Zugang zu dem Sonderobjekt mit Minen gepflastert war.
Nach kurzer Rücksprache beschlossen die drei, kein Risiko einzugehen. Sie lotsten den Raketentransporter näher heran, montierten ein Stück des Gitterbodens der Ladefläche ab, konstruierten eine Art Egge daraus und hängten sie an ein langes Seil.
Inzwischen war die Sonne bereits über den Horizont gestiegen. Es wurde allmählich problematisch, sich ohne Lichtfilter im Freien aufzuhalten. Taran schaute immer wieder besorgt zum schwach bewölkten Himmel und trieb seine Leute zur Eile an.
Als die Vorbereitungen endlich abgeschlossen waren, holte Gennadi Schwung und schleuderte das mit Nägeln und Stahlstäben besetzte Gitterteil wie ein Hammerwerfer weit über den Stacheldrahtzaun. Der Truck heulte auf und setzte langsam zurück. Nachdem das Seil sich gespannt hatte, zog er die schwere Konstruktion durch den mutmaßlichen Minengürtel hindurch und fräste einen sicheren Korridor in den Schnee. Doch Explosionen blieben aus.
»Die Minen sind wahrscheinlich längst verrottet«, mutmaßte Migalytsch, als alle wieder ausgestiegen waren. »Oder man hat wie üblich am Material gespart und die Warnschilder nur zur Abschreckung aufgehängt.«
Der Stalker ließ dennoch äußerste Vorsicht walten. Wie auf Katzenpfoten schlich er durch die Schneise, und erst als er das Gebäude erreicht hatte, gab er den anderen das Kommando nachzukommen – jeweils in der Spur des Vordermanns.
Bei einer kurzen Durchsuchung der eiskalten Räume fand sich nichts Bemerkenswertes. Verharschte Schneehaufen, mit schwarzem Schimmel überzogene Wände, aber keinerlei Anzeichen für die Anwesenheit von Menschen.
Dafür entdeckten die Abenteuer, was durchaus erwartbar war, eine kurze, achtstufige Treppe nach unten, die vor einer hermetischen Tür endete. Da das Fundament des Gebäudes längst von Schmelzwasser unterspült worden war, blockierte eine dicke Eisschicht den Zugang zum Bunker.
»Sieht nach Arbeit aus«, seufzte Dym. »Ich sehe mich mal nach einem brauchbaren Werkzeug um …«
Entgegen Tarans pessimistischen Prognosen machte Gennadi mit dem Eispanzer kurzen Prozess. Und dann hatten die Aufklärer auch noch richtig Glück: Die massive, gepanzerte Tür waren nicht verriegelt. Die Spuren im Vorraum ließen darauf schließen, dass jemand vergeblich versuchte hatte, die Tür von innen zu öffnen. Der Metallbeschlag war mit Dellen übersät, als hätte jemand mit einem Vorschlaghammer darauf eingedroschen.
Die erste unangenehme Überraschung erwartete die Kundschafter kurz nach dem Eingang, als der Lichtkegel der Taschenlampe auf einen Haufen menschlicher Knochen fiel. Verrottete Stofffetzen ließen darauf schließen, dass die Gebeine hier schon ewig in der Feuchtigkeit lagen.
»Kannibalen?«, mutmaßte Gleb.
Die Expedition in den Atomschutzbunker der Kronstädter Werft war dem Jungen noch gut in Erinnerung. Hatte die Raketendivision von Jasny etwa dasselbe Schicksal ereilt?
»Sieht eher nach einem Leichenhaus aus. Trotzdem müssen wir auf der Hut sein.« Taran legte das Sturmgewehr an und drang langsam in den finsteren Korridor vor.
Die Kundschafter kamen durch einige verstaubte Räume, die sie sorgfältig durchsuchten. Ein Generatorenraum, eine Toilette, eine Ausrüstungskammer und ein Kontrollraum. Nirgendwo eine Menschenseele. Doch Rußspuren an der Decke deuteten darauf hin, dass es hier einen mysteriösen Bewohner gab, der schon mehrfach mit einer Fackel das hiesige Proviantlager aufgesucht hatte – immer auf demselben Weg.
»Es könnte sein, dass dieser Bunker durch unterirdische Gänge mit anderen Raketensilos verbunden ist. Wenn wir den Eingang finden …«
Taran hielt mitten im Satz inne, als er weiter vorn ein leises Rascheln hörte.
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